Bulgarien: Unternehmer instrumentalisieren Medien

Medien gelten im bulgarischen Volksmund als "Baseballschläger", weil sie mit Schmutzkampagnen versuchen, die Interessen ihrer Eigentümer durchzusetzen. Dabei genossen die Medien noch vor 20 Jahren das Vertrauen der Bevölkerung.

In Sofia demonstrieren Umweltschützer im Januar 2018 gegen die Pläne der Regierung, Skipisten in bulgarischen Naturschutzgebieten zu bauen.
In Sofia demonstrieren Umweltschützer im Januar 2018 gegen die Pläne der Regierung, Skipisten in bulgarischen Naturschutzgebieten zu bauen.
Als Ende 2016 gegen den Unternehmer Ivo Prokopiev ein Verfahren wegen Steuerbetrugs eingeleitet wurde, begannen die Medien seines Verlagshauses, intensiv über die Arbeit der Steuerbehörde zu berichten. Sie stellten sie als politisch motiviert dar. Und seitdem die Tageszeitung Trud vom Medienunternehmer Petjo Blaskow mit einer Finanzierung der bulgarischen First Investment Bank gekauft wurde, versucht das Blatt unentwegt, Umweltschutzorganisationen zu diskreditieren, die sich gegen die unternehmerischen Pläne des Aufsichtsratsvorsitzenden der Bank stellen, bulgarische Naturschutzgebiete in Skipisten zu verwandeln.

EU-Schlusslicht im Ranking von Reporter ohne Grenzen

Einige wenige Unternehmer besitzen heute einen Großteil der Medien in Bulgarien, die sie für ihre politischen Zwecke instrumentalisieren. Dies ist auch die Begründung dafür, warum Bulgarien auf der Rangliste von Reporter ohne Grenzen den letzten Platz unter den EU-Staaten einnimmt.

Dabei war in den stark politisierten Jahren nach der Wende eine nie dagewesene Medienpluralität entstanden. Die starke Nachfrage nach unabhängigem Journalismus nach jahrzehntelanger Unterdrückung der Medienfreiheit durch die Kommunisten (1944-1989) begünstigte die Entstehung zahlreicher Printmedien.
Doch wegen sinkender Werbeeinnahmen können sich die meisten Zeitungen kaum noch selbst finanzieren. Sie sind auf Geldgeber angewiesen.

Während die ersten unabhängigen Tageszeitungen 24 Chasa und Trud immer noch als Leitmedien gelten, fristet die Tageszeitung Duma als Nachfolger der ehemals kommunistischen Presse heute ein Schattendasein. Die Wochenzeitung Kapital und die Tageszeitung Kapital Daily gelten als anspruchsvolle Medien, die sich an eine gebildete sowie politisch und wirtschaftlich interessierte Leserschaft richten.

Die Blogger tummeln sich inzwischen auf Facebook

Mit der zunehmenden Bedeutung des Internets entstanden rund um die Jahrtausendwende zahlreiche Online- und Nachrichtenportale mit großer Reichweite wie News.bg und Dnevnik.bg. Blogs finden hingegen kaum Beachtung, da die meisten Blogger in die sozialen Medien abgewandert sind. Statt in selbstbetriebenen Blogs veröffentlichen sie ihre Texte meist auf Facebook.

Das Modell der Instrumentalisierung von Medien durch ihre Besitzer hat seit dem Verkauf des Privatsenders Nova Televizija an den bulgarischen Oligarchen Kiril Domustschiew auch die Fernsehlandschaft erreicht. Kurz nachdem der Sender im Jahr 2019 von der tschechischen PPF Group an die Advance Media Group von Domustschiew überging, kam es zu einer Entlassungswelle. Bekannte Investigativreporter wie Miroluba Benatowa, Genka Schikerowa und Marin Nikolow, die sich durch regierungskritische Berichterstattung und zahlreiche Enthüllungsreportagen einen Namen gemacht hatten, verloren ohne Angabe von Gründen ihre Jobs.

Der private Konkurrenzsender bTV befindet sich seit seiner Gründung im Jahr 2000 in ausländischer Hand. Aktuell gehört bTV zu Central European Media Enterprises (CME), einem Medienkonzern, der TV- und Rundfunksender in sechs europäischen Staaten besitzt.

Die öffentlich-rechtlichen Fernsehkanäle BNT1, BNT2 und BNT HD haben zwar weiterhin einen starken Einfluss auf die Meinungsbildung, ohne internationale Unterhaltungsformate erreichen sie jedoch niedrigere Zuschauerquoten als die Privatsender. Der bulgarische nationale Hörfunk und das private Darik Radio sind die einzigen überregionalen Sender mit überwiegendem Wortanteil.


Rangliste der Pressefreiheit (Reporter ohne Grenzen): Platz 111 (2020)

Stand: April 2020


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Weitere Informationen zum Stand der Pressefreiheit in Bulgarien finden Sie »hier (auf Englisch).
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