Österreich: Boulevardmedien und Politik auf Du und Du

Die Ibiza-Affäre, die 2019 zum Sturz der Regierung aus konservativer ÖVP und rechter FPÖ führte, hat nicht nur den langjährigen FPÖ-Chef und damaligen Vizekanzler Heinz-Christian Strache seinen Job gekostet. Gehen musste auch Richard Schmitt, Online-Chef der einflussreichen Kronen Zeitung. Unter seiner Ägide hatten sich die FPÖ und das Boulevardblatt jahrelang in den sozialen Medien gegenseitig gepusht.

Heinz-Christian Strache musste 2019 wegen der Ibiza-Affäre von seinem Posten als Vizekanzler zurücktreten.
Heinz-Christian Strache musste 2019 wegen der Ibiza-Affäre von seinem Posten als Vizekanzler zurücktreten.
Nachdem Strache auf Ibiza vor versteckter Kamera Übernahmepläne für die Krone geschmiedet, Journalisten als "Huren" bezeichnet und nur Richard Schmitt ausgenommen hatte, kühlte das Verhältnis ab. Richard Schmitt wurde bei der Krone kaltgestellt und wechselte bald zum Gratisblatt Österreich. Die Krone berichtete anschließend kritischer über die FPÖ - und schwärmte noch stärker als bisher für den alten und neuen Bundeskanzler, ÖVP-Chef Sebastian Kurz.

Die Politik als treuer Anzeigenkunde

Österreichs Regierungen kommen und gehen - doch die seit der Nachkriegszeit bestehende Dominanz des Boulevards und seiner Meinungsmache sowie sein enges Verhältnis zur Politik bleiben. Die Sozialdemokraten fütterten die Boulevardmedien jahrzehntelang mit teuren staatlichen Zeitungsanzeigen, das Gratisblatt Heute wurde gar im Umfeld der SPÖ gegründet. Der Verkauf von Anzeigen an Parteien oder Ministerien ist für viele österreichische Medienunternehmen ein zentrales wirtschaftliches Standbein.

Eine weitere Besonderheit der österreichischen Medienlandschaft ist die Dominanz großer und eng miteinander verflochtener Verlagshäuser, zu deren wichtigsten Eigentümern die Raiffeisen Bank, die Familien Dichand (Kronen Zeitung, Heute) und Fellner (Österreich) sowie Privatstiftungen im Umfeld der katholischen Kirche zählen.

Unabhängigen Medien bleibt nur die Nische

Dieses wirtschaftlich potente Umfeld macht es unabhängigen Medien schwer, sich in der österreichischen Medienlandschaft zu etablieren. Produkte wie das Monatsmagazin Datum oder die Investigativjournalismus-Plattform Dossier können trotz ihrer hohen Qualität nur Randpositionen besetzen. Die Qualitätssparte dominieren die Tageszeitungen Der Standard (linksliberal) und Die Presse (liberal-konservativ) sowie die Wochenzeitung Falter und das Nachrichtenmagazin Profil. Keines dieser Medien verfügt aber über den Einfluss des Boulevards.

Online arbeiten die meisten Qualitätsmedien inzwischen mit einer Mischung aus kostenlosen und kostenpflichtigen Inhalten. Der Standard, traditionell der Vorreiter im österreichischen Onlinejournalismus, hat keine Paywall, bietet aber mit dem "Pur-Abo" eine Möglichkeit an, seine Inhalte ohne Werbung oder Daten-Tracking zu konsumieren.

Den Fernsehmarkt dominiert der gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk (ORF). 2019 hatten seine Kanäle einen Marktanteil von 31,8 Prozent, die Privatsender ATV und Puls 4 (beide gehören zur ProSiebenSat1-Gruppe) sowie Servus TV (gehört Dietrich Mateschitz) kamen auf je 3 bis 3,5 Prozent. Seit Mai 2018 ist der ehemalige FPÖ-Politiker Norbert Steger Vorsitzender des ORF-Stiftungsrates. Er und seine Partei-Kollegen greifen den ORF immer wieder an, werfen ihm mangelnde Objektivität vor und fordern eine Abschaffung der Rundfunkgebühren. Ex-Parteichef Strache erklärte auf Ibiza: "Wir wollen eine Medienlandschaft ähnlich wie der Orbán aufbauen."

Rangliste der Pressefreiheit (Reporter ohne Grenzen):
Platz 18 (2020)

Stand: April 2020
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