Tschechien: Öffentlich-rechtliche Medien unter Druck von allen Seiten

Ausgerechnet am 17. November 2022, der in Tschechien als „Tag der Freiheit“ begangen wird und an den Beginn der „Samtrevolution“ 1989 erinnert, formierte sich ein Marsch tschechischer „Querdenker“ aus dem Prager Zentrum zum Sitz des öffentlich-rechtlichen Fernsehens Česká televize. Die Teilnehmer verlangten Zutritt zum Sendekomplex und wollten dort ihren Protest gegen den Sender im laufenden Programm kundtun.

Die Menschen, die da demonstrierten, hatten in den vergangenen Jahren schon häufiger protestiert. Anfangs gegen die Corona-Maßnahmen des Staats. In jüngster Zeit gegen die Hilfe für die Ukraine und ukrainische Kriegsflüchtlinge und für die Kreml-Führung unter Wladimir Putin. Jetzt nun gegen das wichtigste Medium des Landes, dem sie „Propaganda“ und „Manipulation“ vorwerfen.

Die Masse der Zuschauer sieht das anders. In ihren Augen leistet der Sender gerade seit Beginn des Großangriffs auf die Ukraine vorbildliche Arbeit. Kein Wunder, schickt er doch seine besten Leute an die Front. Die Korrespondenten von Česká televize, die sonst weltweit vertreten sind, lösen sich für jeweils mehrwöchige Einsätze in der Ukraine ab. Gemeinsam mit ihren Kameraleuten sorgen sie täglich für eigene berührende Geschichten. Agenturmaterial, das nicht immer überprüfbar ist, muss der Sender somit kaum in Anspruch nehmen. Česká televize stellt mit seiner geballten Informationskompetenz die Konkurrenz der privaten TV-Sender klar in den Schatten.

Die positive Entwicklung von Česká televize hatte sich schon in der Pandemie abgezeichnet. Hier erzielte der Sender nicht nur ungewöhnlich hohe Einschaltquoten. Eine repräsentative Umfrage der Journalistik-Fakultät der Masaryk-Universität Brno zeigte, dass der Sender bei der Vertrauenswürdigkeit mit Abstand an der Spitze lag.
Ähnlich positiv verläuft die Entwicklung beim öffentlich-rechtlichen Hörfunk Český rozhlas. Dessen aktuell-politischer Magazinsender Radiožurnal genießt die höchsten Einschaltquoten aller tschechischen Hörfunkprogramme. Er wird in der Vertrauenswürdigkeit ebenso hoch angesiedelt wie das öffentlich-rechtliche Fernsehen.

Angriffe auch von ganz oben

Wenn Anfang März 2023 die zweite und letzte Amtszeit von Staatspräsident Miloš Zeman endet, wird man bei den Öffentlich-Rechtlichen erst einmal aufatmen. Denn der Druck auf sie kommt nicht nur zunehmend von unten, von den Querdenkern. Die haben sich inspirieren lassen von den jahrelangen verbalen Angriffen des Staatsoberhauptes vor allem auf Česká televize und Český rozhlas.

Auch für andere ausgewählte Medien, namentlich des Verlags Economia, hatte das Staatsoberhaupt nur abwertende Formulierungen übrig. Dazu gehören unter anderen die Hospodářské noviny, die als qualitativ beste Tageszeitung Tschechiens gilt, das international ausgezeichnete liberale Wochenblatt Respekt und das meinungsfreudige Internetportal Aktuálně.cz. Ausgenommen von Zemans regelmäßiger Kritik, die im Kern stets Angriffe auf die Pressefreiheit waren, blieben nur die Zeitungen des Agrofert-Konzerns, der Ex-Premier Andrej Babiš gehört und derzeit unter Treuhandverwaltung steht, damit Babiš kein eindeutiger Interessenkonflikt vorgeworfen werden kann.

Doch auch ohne Zeman als Präsident wird der Druck auf die Medien durch einige Parlamentsparteien kaum geringer werden. Seit 2020 sind mehrere kritische Medien vom Zugang zu öffentlichen Informationen abgeschnitten worden, etwa indem sie wiederholt nicht zu Pressekonferenzen akkreditiert wurden. So beispielsweise bei einem gemeinsamen Auftritt von Babiš mit Ungarns Premier Viktor Orbán, dem offenkundig kritische Fragen erspart werden sollten. Der Direktor von Česká televize, Petr Dvořák, sieht die Lage dennoch mit einiger Gelassenheit. Immerhin gebe es in Tschechien keine Einparteienregierung, die, wie in Polen oder Ungarn, tatsächlich an den Grundfesten des freien Journalismus rütteln könne, sagte er in einem Interview der Hospodářské noviny.

Rangliste der Pressefreiheit (Reporter ohne Grenzen): Platz 14 (2023)

Stand: Dezember 2022
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