Minsker Gipfel vereinbart Waffenruhe für Ukraine

Beim Ukraine-Gipfel in Minsk haben sich die Verhandlungspartner am Donnerstag auf einen möglichen Friedensplan für die Ostukraine geeinigt. Ab Sonntag soll eine Waffenruhe gelten und der Abzug schwerer Waffen aus dem Donbass beginnen. Mit diesem Ergebnis haben alle Seiten bewiesen, dass sie den Frieden wollen, meinen einige Kommentatoren. Für andere ist besonders Russlands Präsident Wladimir Putin Profiteur der Vereinbarung.

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Sme (SK) /

Alle Seiten wollen eigentlich den Frieden

Deutlich über den Erwartungen liegt das Ergebnis von Minsk für den Bloomberg-View-Korrespondenten Leonid Beršidskij, der in einem Gastbeitrag für die liberale Tageszeitung Sme schreibt: "Angela Merkel hat nach den Gesprächen eingeräumt, dass sie sich keinen Illusionen hingibt und der Waffenstillstand brüchig sein kann. Die glühenden ukrainischen Patrioten könnten die Vereinbarung als Verrat betrachten. Die Separatisten und die Russen, die die Fäden ziehen, dürften weiter nach territorialen Gewinnen streben und nach stärkeren Garantien, dass die Ukraine nicht in westliche Bündnisse geht. Doch wenn die Waffen schweigen, bekommt die Ukraine die Chance zu einer friedlichen Entwicklung und Putin eine wirtschaftliche Atempause. Der EU wäre es gelungen, die Falken in den USA auszubremsen. ... Das alles sind Erfolge, für die die Teilnehmer Gratulation verdienen. Auch wenn der Waffenstillstand nicht halten sollte: in den Gesprächen wurde deutlich, dass großer Wille zu einer dauerhaften Lösung besteht."

Corriere della Sera (IT) /

Minsk stärkt Europas Außenpolitik

Europa mausert sich endlich zum internationalen Akteur, lobt die liberal-konservative Tageszeitung Corriere della Sera und bezeichnet den Minsker Gipfel als Verhandlungserfolg: "Merkel und Hollande, mutige Vertreter einer EU, die gespalten bleibt, auch wenn sie einen Krieg direkt vor ihrer Haustür hat, haben das Scheitern der Verhandlungen verhindert. Dank der Kanzlerin und dem Präsidenten geht Europa aus dem Minsker Gipfel einflussreicher und selbstbewusster hervor. ... Für die Umsetzung der Vereinbarungen bedarf es eines starken gemeinsamen politischen Willens der Vier und zudem der USA. In der Zwischenzeit ist Minsk großzügig mit dem Kremlchef gewesen und hat ihm ein ohrenbetäubendes Schweigen zum Anschluss der Krim geschenkt. Doch wäre es ein Irrtum, heute Sieger und Verlierer im diesem Spiel ausmachen zu wollen. Wir haben eben erst den Anpfiff vernommen."

Financial Times (GB) /

Putin gönnt sich taktische Pause

Die Einigung beim Minsker Gipfel wird den Konflikt in der Ukraine nicht beenden, denn das große Ziel des russischen Präsidenten Wladimir Putin bleibt die Wiedererrichtung einer Einflusssphäre in Osteuropa, fürchtet die konservative Tageszeitung Financial Times: "Das zweite Minsker Abkommen wird nur dann Erfolg haben, wenn Putin sich dazu entscheidet, von seinem Konfrontationskurs mit der Ukraine und dem Westen abzuweichen. Doch dafür gibt es keinerlei Anzeichen. Eine Reihe von Faktoren, darunter Russlands wirtschaftliche Krise und die in den russischen Medien geführte wilde anti-westliche Kampagne, legen nahe, dass die Ambitionen des Kremlchefs weit über die Ukraine hinausreichen und er bemüht ist, eine russische Einflusssphäre in Osteuropa wieder zu errichten. ... Es wäre vernünftig anzunehmen, dass das zweite Minsker Abkommen nicht viel mehr als eine taktische Pause ist."

Libération (FR) /

Russland profitiert vom Waffenstillstand

Die Waffenstillstandsvereinbarung von Minsk stärkt vor allem den russischen Präsidenten Wladimir Putin, bedauert die linksliberale Tageszeitung Libération: "Zum einen erwähnt der neue Text an keiner Stelle das Wort Krim. Die Region wird Russland also quasi offiziell überlassen. Zum anderen ist die Föderalisierung der Ukraine mit einer Ostflanke unter russischem Einfluss sehr wohl in allen Köpfen, auch wenn sie nicht wörtlich im Abkommen erwähnt wird. Das Kräfteverhältnis begünstigt Putin also weiterhin. Man musste sich nur die führenden europäischen Politiker ansehen und ihnen zuhören: Die meisten von ihnen zeigten sich verhalten, allen voran Angela Merkel, die betonte, sich keine Illusionen für die Zukunft zu machen. Jeder Tag Frieden ist willkommen - daran besteht kein Zweifel. Es sei denn, er erlaubt dem, der im Vorteil ist, seine Positionen auszubauen."

Tages-Anzeiger (CH) /

Ein weiterer eingefrorener Konflikt

Das Minsker Abkommen besiegelt ein Szenario für die Ukraine, das als russische Strategie bereits zur Genüge bekannt ist, kritisiert der Tages-Anzeiger: "Wieder wird ein Land durch die von aussen aufgezwungene Einfrierung eines ungelösten Konflikts in einen Zwitterstatus versetzt: weder Ost noch West, weder Europäische Union noch Eurasische Union. Wir kennen es aus Georgien mit den eingefrorenen Konflikten in Südossetien und Abchasien, in Moldau mit Transnistrien, in Armenien und Aserbeidschan mit Nagorny Karabach. Moskau setzt in diesen Nachbarländern auf eine Festschreibung von Spannungszuständen, um sich im Spiel zu halten. Es verspricht sich dadurch neue Stärke. Russland will ernst genommen werden auf der Weltbühne und auf Augenhöhe mit den USA auftreten. In Wirklichkeit hat Moskau auch in der Ukraine seine mangelnde Attraktivität demonstriert. Nur mit kruder Waffengewalt konnte es das Land von einer selbstbestimmten Zukunft abschneiden."

Večernji list (HR) /

Putin bekommt mal wieder, was er will

Das Ergebnis der Friedensgespräche von Minsk steht auf wackligen Beinen und erinnert an die Teilung Bosnien und Herzegowinas, kritisiert die konservative Tageszeitung Večernji List: "Mit dem abgesprochenen Waffenstillstand kann man wohl kaum erwarten, dass das Blutbad in der Ukraine ein Ende finden wird. Putin hat mit diesem Abkommen wieder einmal bekommen, was er will: die Autonomie für den Osten der Ukraine. Aber die Frage ist, ob das gut ist für die Ukraine und ob sie sich an die Absprache halten wird. Denn eine Autonomie für Luhansk und Donezk würde bedeuten, dass die Russen immer mit einem Fuß in der Ukraine stehen. ... All das erinnert an die unglückselige Teilung Bosnien und Herzegowinas, wo der Eroberer den größten Teil des Landes bekommen hat und ein Land geschaffen wurde, das bis heute nicht funktionieren kann."