Merkel und Tsipras auf Versöhnungskurs

Griechenlands Premier Alexis Tsipras und Bundeskanzlerin Angela Merkel haben am Montag in Berlin versöhnliche Töne angestimmt. Medien und Politiker beider Länder hatten sich in den vergangenen Wochen scharf attackiert. Endlich merkt Tsipras, dass er Merkel braucht, freuen sich Kommentatoren. Andere wenden ein, dass der Kuschelkurs Griechenland auch nicht vor der Pleite retten wird.

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El Periódico de Catalunya (ES) /

Tsipras sieht ein, dass er Merkel braucht

Tsipras sieht endlich ein, dass er ohne das Wohlwollen seiner europäischen Amtskollegen keine großen Sprünge machen kann, freut sich die linksliberale Tageszeitung El Periódico de Catalunya: "Zwei Monate nach dem Wahlsieg und einem Verhalten, das in den europäischen Institutionen auf wenig Gegenliebe stieß, hat die griechische Regierung bemerkt, dass sie sich mit der deutschen Kanzlerin gut stellen muss. Sonst werden die Treffen mit den übrigen EU-Regierungschefs für Athen zu einem gefährlichen Minenfeld. In diesem Sinne ist das gestrige Treffen eher als PR-Aktion zu verstehen. Die Entscheidungen fallen schließlich im Rahmen der Eurogruppe. Es ging darum, Brücken zu bauen. Zwischen Derjenigen, die die wahre Macht in Europa hat, und Demjenigen, der deren Unterstützung gegenüber anderen EU-Partnern wie Spanien oder Portugal braucht, die jegliches Zugeständnis gegenüber Griechenland mit großer Skepsis betrachten."

Mladá fronta dnes (CZ) /

Aussöhnung mit Berlin ist nicht genug

Alexis Tsipras hat endlich die Annäherung an Berlin gesucht, doch hat er die Kuh damit noch längst nicht vom Eis geholt, resümiert die liberale Mladá fronta Dnes: "Deutschland wurde während der Krise für viele Griechen zum Symbol alles Bösen, Merkel und ihre Minister zur Verkörperung des Satans. Auch deshalb ließ sich Tsipras ganze zwei Monate Zeit, bis er nach Berlin reiste, obwohl Deutschland bei der Rettung Athens vor dem Bankrott die Schlüsselrolle spielt. Gestern Abend dann lächelten beide, als wären Griechenland und Deutschland beste Freunde. ... Trotz der optimistischen Töne nach den Verhandlungen mit Merkel haben Tsipras und sein Land aber noch lange nicht gewonnen. Alle Mitgliedstaaten der Eurozone - viele weit härter als die deutsche Bundeskanzlerin - haben deutlich zu verstehen gegeben, dass sie Athen ohne einen Reformplan keinerlei Geld mehr zur Verfügung stellen wollen. Glaubt man den Analytikern, kann der Bankrott schon am 8. April kommen."

Kurier (AT) /

Deutschland ist der falsche Sündenbock

Es ist falsch von der griechischen Regierung, den Deutschen ihre ökonomische Macht vorzuwerfen, meint der Kurier und fordert von Tsipras mehr Ehrlichkeit: "Er soll endlich sagen, dass Griechenland ohne die Solidarität der EU-Länder noch viel schlimmer dastehen würde. Wobei fraglich ist, ob er es überlebt, diese Wahrheit seiner vielschichtigen Linkspartei klarzumachen. Wir erleben gerade in Europa, dass 70 Jahre in der Geschichte von Völkern eine relativ kurze Zeitspanne sind. Es leben noch Griechen, die unter dem Terror der Nazis gelitten haben. Aber auch sie müssen anerkennen, dass alle deutsche Regierungen seit dem Krieg für ein europäisches Deutschland gestanden sind, nicht für ein deutsches Europa. Aber während die niedrigen Zinsen in Griechenland zu einer absurden Überschuldung geführt haben, bauten die Deutschen mit innovativen Produkten ihren Exportüberschuss aus."

Dagens Nyheter (SE) /

Tsipras muss den Grexit verhindern

Nach seinem Besuch in Berlin muss Tsipras beweisen, dass er in Griechenland etwas ändern will, sonst droht der Grexit, mahnt die Tageszeitung Dagens Nyheter: "Der Euro verträgt einen griechischen Austritt. Brandmauern sind errichtet und die privaten Gläubiger weitgehend von der Bildfläche verschwunden. ... Politisch aber wäre ein Grexit ein Rückschlag für Europa. Auch wenn keine anderen Länder Griechenland folgen würden, würde er doch zeigen, dass ein Austritt aus der Eurozone möglich ist. Viele Griechen würden sich betrogen fühlen und es besteht das Risiko, dass das Land eine andere Richtung einschlägt, sich zum Beispiel Russland annähert. ... Nicht nur Tsipras muss Rücksicht auf seine Wähler nehmen, sondern auch Merkel auf ihre. Die Mehrheit der Griechen will den Euro behalten, zeigen Umfragen. Die Mehrheit der Deutschen dagegen will nicht länger die Griechen im Euro halten. Machen Tsipras und Syriza weiter wie bisher, führen sie ihr Land zum Grexit."