UK-Wahl bereitet Weg für EU-Referendum

Nach dem Wahlsieg der britischen Konservativen von Premier David Cameron gilt ein Referendum im Jahr 2017 über die Mitgliedschaft Großbritanniens in der EU als sicher. Das ist die Chance, das Verhältnis zwischen Brüssel und London neu zu definieren, freuen sich einige Kommentatoren. Andere fürchten, dass die Debatte über einen Brexit die EU außenpolitisch schwächt.

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Financial Times (GB) /

Brexit-Debatte nützt vor allem Putin

Die Verhandlungen Londons mit Brüssel über EU-Reformen werden die Europäische Union außenpolitisch schwächen, fürchtet die konservative Tageszeitung Financial Times: "Die Möglichkeit eines britischen EU-Austritts und die Spaltungen, die sich während der Verhandlungen mit Großbritannien auftun könnten, werden es für die EU schwieriger machen, in der Ukraine-Krise weiter geeint gegenüber Russlands Präsidenten Wladimir Putin aufzutreten. David Cameron ist in der EU-Diplomatie bereits in den Hintergrund getreten und hat der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsidenten François Hollande die Führungsrolle überlassen. Daran wird sich wohl nichts ändern, auch wenn der Premier nun seine ganze Aufmerksamkeit darauf richtet, seine Landsleute von den Vorteilen der EU-Mitgliedschaft zu überzeugen."

Welt am Sonntag (DE) /

Cameron macht Katharsis der EU möglich

Mit dem angekündigten EU-Referendum zwingt Cameron den Europäern eine längst überfällige Richtungsdebatte auf, lobt die konservative Wochenzeitung Welt am Sonntag: "Danke, Mr Cameron! Das Getöse, insbesondere von EU-Abgeordneten, die 'Erpressung' oder sogar die 'Selbstverstümmelung' Europas durch den britischen Premier wittern, ist absurd. London und Brüssel müssen nun ihr Verhältnis zueinander neu bestimmen. ... Neuverhandlungen über substanziell neue Formen des Miteinanders in Europa werden frühestens nach einem britischen Referendum beginnen können. Dennoch lässt sich bis dahin vieles neu regeln. Ziel muss sein: eine 'bessere EU' (Donald Tusk). Die Brüsseler Eliten sollten sich dabei vor einer Taktik hüten, die vielen Machtstrategen schon vorschwebt: 'window dressing'. Das Kalkül: den britischen Regierungschef mit ein paar Kleinigkeiten abspeisen, die er zu Hause als Riesenerfolg aufblasen kann. Das hieße, Cameron zu unterschätzen und die Chance zur Katharsis der EU ungenutzt zu lassen."

La Libre Belgique (BE) /

Britisch-europäisches Verhältnis neu gestalten

In der Debatte über einen Brexit sieht die liberale Tageszeitung La Libre Belgique auch die Chance, das Verhältnis zwischen Großbritannien und der EU auf eine neue Grundlage zu stellen: "Niemand in der EU sieht einem Brexit gelassen entgegen. Um es David Cameron zu ermöglichen, seine gewagte Wette zu gewinnen, müssen die europäischen Mitgliedstaaten und Institutionen eine Mischung aus Standhaftigkeit, Flexibilität und Kreativität an den Tag legen. ... Der britische Premier muss den Bürgern 'verkaufen' können, dass die EU ihm zuhört, wobei jedoch die Zugeständnisse, die ihm gemacht werden, das europäische Projekt nicht beeinträchtigen dürfen. Das wird ein schönes Kopfzerbrechen geben. Die beiden kommenden Jahre werden aber auch Gelegenheit dazu bieten, die komplexe Beziehung zwischen Großbritannien und seinen europäischen Partnern endlich neu zu gestalten."

Sydsvenskan (SE) /

Möglichen Brexit als Chance begreifen

Das geplante EU-Referendum in Großbritannien ist eine Chance für notwendige Reformen innerhalb der Union, findet die liberale Tageszeitung Sydsvenskan: "Die Eurokrise hat die Ablehnung gegenüber Brüssel stark befördert. Über den wirtschaftlichen Niedergang hinaus wurden viele Länder zu einer radikalen Sparpolitik gezwungen, um ihre Wirtschaft wieder ins Lot zu bringen. Die Arbeitslosigkeit innerhalb der EU liegt bei 11,2 Prozent. Das entspricht 24 Millionen Menschen. Wirtschaftswachstum ist daher die wichtigste Voraussetzung, um die derzeitige Vertrauenskrise zu überwinden. ... Die EU ist eine Union für Frieden, Stabilität und Wohlstand. Um das Vertrauen zu stabilisieren, müssen wir diesen Ansprüchen gerecht werden. ... Die Drohung eines britischen Austritts muss also bestmöglich genutzt werden."