Juncker bricht Gespräch mit Athen ab

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hat am Sonntag einen Vermittlungsversuch im Schuldenstreit mit Griechenland wegen großer Differenzen abgebrochen. Laut einigen Kommentatoren dürfen die Geldgeber Athen keine weiteren Zugeständnisse machen, müssen aber einen Grexit verhindern. Andere glauben, dass dieser Europa sogar stärken würde.

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Le Figaro (FR) /

Bloß nicht vor Athen kapitulieren

Europa darf aus Angst vor einem Grexit auf keinen Fall nachgeben, warnt die konservative Tageszeitung Le Figaro: "Griechenland hat die Europäer schon genug übers Ohr gehauen. Daher darf man dem Land keine weiteren Zugeständnisse machen. Nachdem es sich durch seine eigene Unbekümmertheit ruiniert hat und durch beispiellose Anstrengungen von ganz Europa gerettet wurde, fordert es immer wieder einen Schuldenschnitt, eine Infragestellung seiner Reformversprechen und neue Hilfszahlungen. All dies ist aus Prinzip, aus Kostengründen, aber auch aus Fairness gegenüber den Ländern nicht hinnehmbar, die zur Überwindung der Krise zu Opfern bereit waren. Der zweite Grund ist, dass Griechenland der größte Leidtragende eines Bruchs mit Europa wäre: Bankenpleiten, Ruin der Sparer, Zerstörung ganzer Wirtschaftszweige. ... Wenn ein vernünftiger Kompromiss inklusive Umstrukturierung der Schulden noch möglich scheint, liegt es im Interesse aller, diesen zu erreichen."

Blog euinside (BG) /

Eurozone wäre ohne Griechenland stärker

Griechenland sollte die Eurozone verlassen, bevor es die EU in eine Wertekrise stürzt, meint Adelina Marini auf ihrem Blog euinside: "Die Geldgeber fordern die griechische Regierung auf, Verantwortung nicht nur gegenüber ihren Wählern, sondern auch gegenüber den Wählern anderer EU-Länder zu zeigen. ... Im Gegenzug bekommen sie die typische balkanische Arroganz, hinter der nur heiße Luft steckt. Das ist ein echter Zusammenstoß der Werte. ... Die EU hat sich wegen Griechenland auf so viele Kompromisse in Bezug auf ihre eigenen Regeln und Werte eingelassen, dass ein Ausscheiden Griechenlands, das diese Regeln und Werte missachtet, die Union eher stärken als das Vertrauen in sie erschüttern würde. ... Millionen von Menschen haben für die europäischen Werte ihr Leben geopfert. Vergessen wir nicht, dass die Werte der EU in Artikel 2 des Gründungsvertrags festgelegt sind und nicht in irgendeinem Anhang. Sie sind das Fundament der EU. Sie sind wertvoller als irgendeine Staatspleite."

De Tijd (BE) /

Tsipras stürzt sein Land ins Elend

Nach dem schnellen Ende der Gespräche mit Griechenland am Sonntag wird ein Grexit immer wahrscheinlicher, analysiert die Wirtschaftszeitung De Tijd: "Griechenland muss seine Wirtschaft reformieren, um wieder gesund zu werden. Solange es diese Perspektive nicht gibt, wird Griechenland das Vertrauen der Finanzmärkte nicht zurückgewinnen. ... Gerade beim Punkt Reformen steckt das Land bereits seit einem halben Jahr fest. Das liegt daran, dass die radikal linke Koalition die Wahlen mit dem Versprechen gewonnen hat, keine Reformen einzuleiten und dennoch im Euro zu bleiben. Die Kombination dieser zwei Versprechen wird zunehmend zur Fiktion. Der griechische Premier Alexis Tsipras steht mehr denn je vor der Wahl: Ist er der Staatsmann, der sein Land rettet? Oder ist er ein Fast-Kommunist, der zwar seine Prinzipien wahrt, sein Land aber in noch tieferes Elend stürzt? Es scheint, als ob er die falsche Wahl trifft."

Corriere della Sera (IT) /

Gefahr einer gigantischen Finanzkrise

Das erneute Scheitern der Verhandlungen mit Griechenland wird zu einer europäischen Finanzkrise epischen Ausmaßes führen, warnt die liberal-konservative Tageszeitung Corriere della Sera: "Dennoch scheinen die Finanzmärkte und viele Beobachter, sich nicht zu sorgen. Sie sind wohl überzeugt, dass man sich am Ende schon einigen werde. Schlimmstenfalls werde es die Europäische Zentralbank schon richten und die Ansteckungsgefahr bannen. Doch die These, der zufolge die Geldpolitik allein ausreicht, um die Folgeerscheinungen der Krise auf den Finanzmärkten und in der Realwirtschaft zu begrenzen, hat sich bereits in der Vergangenheit als falsch erwiesen, zuletzt im Fall der Insolvenz von Lehman Brothers im September 2008. ... So droht die Geschichte sich zu wiederholen. Erst werden Probleme unterschätzt, dann wird aufgrund der Hoffnung, dass andere das Problem schon lösen werden, die Entscheidung so lange herausgezögert, bis die Krise aus den Händen gleitet."