Vorerst keine neue Reformliste aus Athen

Athen legt zum Treffen der Euro-Finanzminister am Donnerstag keine neue Reformliste vor. Nach ergebnislosen Gesprächen mit EU-Kommissionschef Juncker und dem IWF gab der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis dies am Montag bekannt. Die Verhandlungen laufen auch deshalb so zäh, weil IWF und Eurozone unterschiedliche Ziele verfolgen, analysieren Kommentatoren und warnen, dass die Folgen eines Grexits unterschätzt werden.

Alle Zitate öffnen/schließen
Libération (FR) /

IWF und EU steuern auf Katastrophe zu

In den Verhandlungen mit Griechenland nimmt der Internationale Währungsfonds keine Rücksicht auf europäische Befindlichkeiten, kritisiert die linksliberale Tageszeitung Libération: "Der IWF sorgt sich kaum um den Verbleib Griechenlands in der Eurozone und auch nicht um die Fortsetzung des europäischen Projekts, das sind politische Fragen, die ihm fremd sind. Für die Eurozone ist es genau andersrum, für sie hat die Politik oberste Priorität. Es gilt, einen Grexit zu verhindern, der den Fortbestand der Gemeinschaftswährung bedrohen könnte. ... Weil IWF und EU gemeinsam verhandeln, legen sie beide eine Kompromisslosigkeit an den Tag und verlangen so das Unmögliche von Athen: Einsparungen, die nicht nur einen ausgeglichenen Haushalt zum Ziel haben, sondern auch einen unrealistischen Primärüberschuss, der die Zahlung einer Schuld ermöglichen soll, die gleichsam 'unantastbar' ist. Beide Ziele sind unvereinbar, weshalb Europa eine beispiellose Katastrophe droht."

The Independent (GB) /

Grexit-Verfechtern keinen Glauben schenken

Genau diejenigen, die jetzt die Gefahren eines Austritts Griechenlands aus der Eurozone herunterspielen, lagen mit ihren Prognosen schon einmal falsch, warnt die linksliberale Tageszeitung The Independent: "Die Wichtigtuer in der Eurozone bestehen darauf, dass es für den Fall, dass sich Griechenland aus der Umarmung durch den Euro löst, kein Ansteckungsrisiko gäbe, denn das ganze System sei in den vergangenen drei Jahren ausreichend konsolidiert worden. Europa könne mit oder ohne Griechenland, behaupten sie. Vielleicht haben sie recht. Doch wir täten gut daran, uns vor Augen zu halten, dass es sich hier um dieselben Personen handelt, die 2010 voller Zuversicht vorausgesagt hatten, dass Griechenland nach der Einnahme einer kräftigenden Dosis der von ihnen sorgsam aufbereiteten Medizin des Sparens sehr schnell wieder wirtschaftlich wachsen würde. Wie die Geschichte ausgegangen ist, wissen wir nur zu gut."

Süddeutsche Zeitung (DE) /

Ein Schuldenschnitt muss sein

Nur wenn die Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten, wird Griechenland wieder auf die Beine kommen, weiß die linksliberale Süddeutsche Zeitung: "Solch ein Schuldenschnitt wird nicht mit einem Fingerschnippen zu erreichen sein, nicht innerhalb von ein paar Tagen - sondern er bedarf detaillierter Verhandlungen. Niemand sollte dies besser wissen als die deutsche Regierung. Denn Deutschland wurde im vergangenen Jahrhundert gleich viermal ein Teil seiner Schulden erlassen; es hat davon massiv profitiert - etwas, was all jene gerne vergessen, die in diesen Tagen den Stab über Griechenland brechen und den Austritt aus der Währungsunion propagieren. ... Deutschland [wurden] die Schulden nicht viermal erlassen, weil es sich das verdient hätte, sondern weil es ökonomisch vernünftig war. Auch die Griechen haben sich einen Schuldenschnitt ganz gewiss nicht verdient; aber es führt kein Weg daran vorbei - aus ökonomischen wie aus politischen Gründen. Die Alternative wäre im Übrigen ein ungeordneter Staatsbankrott."

Politis (CY) /

Gläubiger wollen Athens linke Regierung stürzen

Einen tiefen Graben zwischen den Menschen in Griechenland und den Mächtigen in Brüssel beschreibt die liberale Tageszeitung Politis: "Die Griechen wünschen sich ein Europa, das sich solidarisch zeigt und sich nicht gegen Griechenland stellt. Ein Europa, das nicht versucht, das verliehene Geld durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer und 300-Euro-Renten aus den Hosentaschen der Armen zurückzuholen. … Die griechische Regierung sollte aufhören, an diesem Tauziehen teilzunehmen, das sie zunehmend schwächt. Es ist offensichtlich, dass die Forderungen des neoliberalen Machzentrums in Brüssel politischer und nicht wirtschaftlicher Natur sind. Ihr Ziel ist, diese linke Regierung vor den Augen der Griechen zu demütigen. … Die unerfahrene griechische Regierung sollte kapieren, dass sie es nicht mit Partnern, sondern mit Feinden zu tun hat."