Juncker droht mit Grexit

Die Eurogruppe gibt Athen bis zu einem EU-Sondergipfel am Sonntag Zeit, sie von der Freigabe neuer Gelder zu überzeugen. Andernfalls sei ein Szenario für ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone vorbereitet, sagte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Europa riskiert mit dem Grexit seine globale Bedeutung, mahnen einige Kommentatoren, während andere diesen als rettenden Ausweg aus der Krise herbeisehnen.

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La Stampa (IT) /

Mit Grexit riskiert EU globale Bedeutung

Athen erhält von den Gläubigern bis Freitag Zeit für neue Reformvorschläge. Sollte auf dem EU-Sondergipfel am Sonntag keine Einigung erzielt werden, könnte ein "schwarzes Szenario" nicht ausgeschlossen werden, sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk am Dienstag und drohte damit indirekt mit dem Grexit. Dass Europa Griechenland auf jeden Fall retten sollte, erklärt die ehemalige italienische Vize-Außenministerin Marta Dassù in der liberalen Tageszeitung La Stampa: "Die EU kann nicht nur eine Gemeinschaft der Starken sein, sie muss in der Lage sein, die klammen, peripheren Wirtschaften zu integrieren. Zudem findet die globale Wettbewerbsfähigkeit auf kontinentaler Ebene statt. ... Schließlich mag der Rückschlag von Athen auf wirtschaftlicher und finanzieller Ebene aufgefangen werden können, doch auf politischer Ebene ist er eine eklatante Niederlage auch für Brüssel. Damit Europa eine Zukunft hat, müssen europäische Solidarität und nationale Verantwortung endlich Hand in Hand gehen. ... Sollte diese Partie verloren werden, ist unwahrscheinlich, dass sich Europa auf globaler Ebene noch behaupten kann."

Marianne (FR) /

Euro-Austritt darf kein Erfolgsmodell werden

Auch wenn die Eurogruppe Griechenland in diesen Tagen aus der gemeinsamen Währung zu drängen scheint, fürchtet sie den Grexit gleichzeitig aus einem ganz bestimmten Grund, analysiert der Wirtschaftswissenschaftler Jacques Sapir auf seinem Blog beim Wochenmagazin Marianne: "Eines macht den europäischen Verantwortlichen richtig Angst: dass Griechenland beweisen könnte, dass es ein Leben außerhalb des Euro gibt und dass sich dieses unter bestimmten Bedingungen als besser herausstellen kann als das Leben im Euro. Das ist die große Furcht der Entscheider und das, was sie erschaudern lässt. Denn in diesem Fall würde Griechenland allen - Portugiesen, Spaniern, Italienern und Franzosen - den Weg zeigen, dem man folgen sollte. Dies würde nicht nur den unglaublichen Schwindel entblößen, den der Euro darstellt, der den Ländern, die ihn eingeführt haben, weder Wachstum noch Stabilität garantiert, sondern auch die tyrannische Herrschaftsweise der nicht gewählten Eurogruppe und der EZB."

The Independent (GB) /

Scheidung ist jetzt die beste Lösung

Griechenland und der Rest der Eurozone haben sich wie ein zerstrittenes Ehepaar so stark voneinander entfremdet, dass sie ihre Beziehung beenden sollten, meint die linksliberale Tageszeitung The Independent: "Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem es für alle Beteiligten viel besser wäre, den Wahnsinn zu beenden und einen geordneten Austritt Griechenlands aus der europäischen Einheitswährung zu verhandeln. Wie es auch bei Ehen und kommerziellen Partnerschaften manchmal vorkommt, hat sich etwas, das zunächst eine gute Idee zu sein schien, leider als höllischer Vertrag entpuppt. In solchen Fällen ist es am besten, die Realität zu akzeptieren und weiterzuziehen. ... Und die Analogie lässt sich fortsetzen: Die Griechen haben das Bankkonto, das sie mit 18 anderen Nationen teilen, nun einige Jahre lang missbraucht und die Geduld der anderen ist verständlicherweise am Ende."

Infowar (GR) /

Athen sollte endlich den Euro verlassen

Athen sollte nach dem Referendum ernsthaft über einen freiwilligen Austritt aus der Eurozone nachdenken, findet Aris Chatzistefanou auf seinem Webportal Infowar: "Die EZB und Berlin verhalten sich gegenüber Griechenland nicht, wie es sich gegenüber einem Eurozonen-Mitglied gehört. Die Regierung kämpft unterdessen darum, Teil eines Clubs von Bankiers zu bleiben, der nur Probleme und keine Vorteile bietet. ... Die griechische Regierung hat zum ersten Mal die Gelegenheit, den Griechen zu erklären, was ein Austritt Griechenlands aus dem Euro bedeuten würde und was die Risiken - aber auch die enormen Chancen - sind. Natürlich nicht nur, weil die Einführung einer nationalen Währung an sich eine volksnahe Entscheidung wäre, sondern auch weil ein Verbleib in der Eurozone nur kontinuierliche Erpressungen ohne Vorteile verspricht."

Cumhuriyet (TR) /

Deutschland kommt ungeschoren davon

Darauf, dass für die jetzige Krise gewiss nicht nur Griechenland verantwortlich ist, macht die kemalistische Tageszeitung Cumhuriyet aufmerksam: "Wer wird die deutschen und französischen Banken zur Rechenschaft ziehen, die den griechischen Banken zu hohen Zinsen unzählige Kredite gaben? ... Diese Kredite haben die Griechen ausgegeben, um Waren aus den großen EU-Ländern zu kaufen. Wird dieses System, von dem deutsche Firmen profitieren, die nicht nur in Griechenland, sondern in allen Ecken Europas vertreten und damit Exportweltmeister sind, überhaupt nicht hinterfragt? Gibt es niemanden, der den Deutschen etwas entgegnet, die aus der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs auferstanden sind, ohne den Großteil ihrer Schulden zu zahlen? Es ist ein Déjà-vu. So wie niemand die amerikanischen Banken in Frage stellt, die mit der Immobilienblase 2008 die Krise einleiteten und dafür noch belohnt wurden, so wird auch niemand die Technokraten in Brüssel in Frage stellen."