Abstimmungen über Kredite für Athen

Nachdem das griechische Parlament und die Euro-Finanzminister das neue Kreditpaket für Athen abgesegnet haben, stimmen in dieser Woche die Parlamente anderer Euro-Staaten darüber ab. Einige Kommentatoren sehen die damit verbundenen Reformen als historische Chance auf eine Erneuerung des Landes. Andere kritisieren, dass das Geld fast gänzlich an Banken und Gläubiger geht.

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Südostschweiz (CH) /

Kreditpaket bietet historische Chance

Mit der Annahme des neuen EU-Hilfspakets hat das griechische Parlament den Weg für eine historische Entwicklung des Landes geebnet, meint die liberale Tageszeitung Südostschweiz: "Nie seit Beginn der Krise gab es so detaillierte Reformvorgaben. Die Geldgeber haben aus den Fehlern der bisherigen Rettungskonzepte gelernt und die Sparvorgaben auf ein tragbares Mass gelockert. Der Schwerpunkt liegt auf Strukturreformen, die das Land wettbewerbsfähig machen sollen. Darin liegt auch eine grosse Chance für Tsipras. Er hat eine historische Mission - wenn er will. Er kann sein Land grundlegend erneuern. Wenn der junge Premier die Reformvorgaben umsetzt, kann Griechenland zu einem der modernsten Länder Europas werden. Viele Strukturreformen werden allerdings Jahre, gar Jahrzehnte brauchen, bis sie greifen. Es handelt sich also um ein Generationenprojekt. Umso grösser ist nun Tsipras' Verantwortung."

Dimokratia (GR) /

Hilfen gehen an Banken und Gläubiger

Von der ersten Tranche des dritten Kreditpakets in Höhe von 26 Milliarden Euro sind 10 Milliarden für die angeschlagenen griechischen Banken vorgesehen und 13 Milliarden für die Schuldentilgung bei EZB und IWF. Für Griechenlands Bürger der blanke Hohn, bemerkt die konservative Tageszeitung Dimokratia: "Für 13 von den 26 Milliarden Euro wird es so sein, als ob wir sie nie bekommen hätten. Sie werden nicht mal durch die griechischen Kassen gehen. ... So also sehen europäische Solidarität und europäische Logik aus. Sie drücken uns Sparpakete auf, die wir unter Schmerzen über uns ergehen lassen, nur damit sie ihr Geld zurückbekommen und die Banken auch, die angeblich vor Kurzem einen Stresstest überstanden haben und die wir sowieso mit dem ersten und dem zweiten Sparmemorandum bezahlt haben! Wenn das nicht der blanke Hohn ist, was ist es dann?"

Blog euinside (BG) /

Athen wird wieder alles verprassen

Die Finanzminister der Eurozone haben am Freitag einem dritten Kreditpaket für Griechenland zugestimmt. Adelina Marini traut auf ihrem Blog euinside Athen nicht zu, dass es mit dem neuen Darlehen von 86 Milliarden Euro verantwortungsvoller umgehen wird als mit den vorherigen: "Mit den zwei vorigen, unvollendeten Hilfsprogrammen hat man keine guten Erfahrungen gemacht und die politische Situation Griechenlands und der Eurozone ist nicht gerade stabil. Angesichts dessen gibt es wenig Gründe, optimistisch zu sein. ... Wer kann garantieren, dass die griechische Regierung nach der ersten Tranche und einem möglichen Schuldenerlass nicht in ihre alten linkspolitischen Gewohnheiten zurückfällt und wieder anfängt, mehr auszugeben als sie einnimmt? Die Regierung weiß, dass ihr im Namen der Rettung der Eurozone und der guten Freundschaft mit dem IWF, unterstützt vom hysterischen Geschrei linker US-Ökonomen, alle Sünden verziehen werden."

Corriere della Sera (IT) /

Kein Europa ohne Konsens

Europa kann nicht funktionieren, wenn es immer nur den jeweiligen Interessen eines Landes genügen soll, mahnt vor dem Hintergrund der neuen Kredite für Athen die liberal-konservative Tageszeitung Corriere della Sera: "Wollen wir noch ein Europa? Das ist die Frage, die sich die Bürger stellen und die sich auch die Politiker der Mitgliedstaaten der Union stellen sollten. Es ist zu befürchten, dass letztere mit einem bürokratischen Ja antworten. Und das dieses von dem Hintergedanken eines Europa begleitet wird, das keine Synthese seiner Komponenten ist, sondern ein auf das jeweilige Land zugeschnittene Europa. Aus diesem Fahrwasser muss Europa dringend ausbrechen. ... Im Dezember 2014 wurde das Investitionspaket Juncker verabschiedet. ... Der Plan war ein Zeichen, dass die EU nicht nur aus Streit über Regeln und Haushaltsvorschriften besteht, doch von ihm ist jede Spur verloren gegangen. Reformen und Flexibilität sind die Voraussetzungen für das Wachstum, das Europa braucht. Und Investitionen und Konsens sind der Motor, der das Wachstum antreibt."