Polens Mediengesetz ruft EU auf den Plan

Die EU-Kommission prüft Schritte gegen die kurz vor Jahreswechsel beschlossene Medienreform in Polen, die der Regierung mehr Einfluss auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gewährt. Während einige Kommentatoren es richtig finden, die nationalkonservative Regierung in die Schranken zu weisen, halten andere Brüssels erhobenen Zeigefinger für kontraproduktiv.

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Público (PT) /

Brüssel muss Warschau in die Schranken weisen

Anders als im Fall Ungarn sollte die EU gegenüber Polen klare Kante zeigen, meint die liberale Tageszeitung Público: "Europa darf nicht untätig bleiben und die Situation einfach mit einem Achselzucken abtun, wie man es immer wieder mit Ungarn getan hat. Unsere Mediensysteme sind bei weitem nicht perfekt und Episoden staatlichen Eingriffs kommen in vielen demokratischen Ländern vor, darunter auch Portugal. Aber aus diesen Fehlern eine Regel zu machen, ist nicht akzeptabel. Die erste gute Nachricht lautet, dass Brüssel über Werkzeuge verfügt, um 'systemische Risiken' in den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zu verhindern und sicherzustellen, dass 'europäische Grundwerte' eingehalten werden. Die zweite gute Nachricht: Nach dem zögerlichen Handeln in Bezug auf Ungarn werden in Europa nun die Zeichen der 'polnischen Verwirrung' unverblümt verbalisiert. Was Europa jetzt braucht, ist das, was so oft in Brüssel fehlt - politische Kraft."

Deutschlandfunk Kultur (DE) /

Polen brauchen keine Moralpredigt

Den erhobenen Zeigefinger aus Brüssel brauchen die Polen nicht, meint der öffentlich-rechtliche Sender Deutschlandradio Kultur: "Die Polen müssen die Lehre aus der amtierenden Regierung schon selbst ziehen. Schließlich hätten sie wissen können, wer der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczyński ist. Er war vor knapp zehn Jahren Ministerpräsident, seine Partei ordnete sich die öffentlichen Medien schon damals unter. Vergessen wir auch nicht, dass gerade viele junge Wähler die PiS und in großer Zahl sogar noch weit populistischere Parteien gewählt haben. Sie sollten spüren, welche Konsequenzen deren teils verantwortungslose Programme für ihr Land haben. Wenn sich bei ihnen jetzt erste Zweifel an ihrer Wahl regen, dann sind großspurige Töne aus mächtigeren EU-Ländern nur kontraproduktiv."

Lidové noviny (CZ) /

EU fasst Polen härter an als Ungarn

Über die Kritik Brüssels an der neuen polnischen Mediengesetzgebung wundert sich die konservative Tageszeitung Lidové noviny: "Der Griff nach dem Rundfunk ist zwar ein ekelhaftes Vorgehen. Doch der zweifellos gefährlichere Angriff auf das polnische Verfassungsgericht hat niemanden in Brüssel aus der Ruhe gebracht. Staatlich gelenktes Fernsehen und Radio sind in Mittel- und Osteuropa nicht ungewöhnlich, auch wenn sie mit dem Begriff öffentlich-rechtlich maskiert werden. ... Hängt die Schärfe der Kritik womöglich damit zusammen, dass der 'Präsident' der EU Donald Tusk heißt, der über Jahre die Partei führte, die von den polnischen Wählern verprügelt wurde? Misst Brüssel mit zweierlei Maß angesichts eines Viktor Orbán, der Ungarn mit eisernem Besen regiert? Es hat auch den Anschein, dass die deutsche Diplomatie schon länger die Augen gegenüber Budapest verschließt, während sie Warschau, Prag und Bratislava mit Halogenscheinwerfern ausleuchtet."

Nasz Dziennik (PL) /

PiS bietet westlichen Kolonialisten die Stirn

Die Mahnungen aus Brüssel sind nur ein Zeichen dafür, dass die EU um ihren Einfluss in Polen fürchtet, glaubt die nationalkatholische Tageszeitung Nasz Dziennik: "Die Führungsriege der PiS befindet sich doch gerade erst am Anfang ihrer Arbeit. Sie konnte somit noch gar nicht zeigen, was sie kann. Die panischen Stimmen aus dem Westen sind deswegen der beste Beweis für die Qualität der neuen Mannschaft. Einige Westeuropäer haben doch bisher mit ihrer stillen Zustimmung zur Vorgängerregierung das Land Polen fast wie eine Kolonie ausgebeutet. Für sie dürften diese goldenen Zeiten nun vorbei sein. ... Beispielsweise hat der Bankensektor, den das ausländische Kapital dominiert, praktisch jedes Jahr bei den Nettogewinnen neue Rekorde aufgestellt. Aus einem aktuellen Bericht der [Nonprofit-Organisation] Global Financial Integrity geht hervor, dass Polen als einziger EU-Staat zu den 20 Ländern der Welt gehört, wo ausländische Konzerne illegal Kapital abführen."