Was bleibt vom Arabischen Frühling?

Freiheit, Demokratie, Wohlstand, das waren die Ziele der Demonstranten, die vor fünf Jahren den Tahrir-Platz in Kairo besetzten. Was ist aus der Revolution geworden?

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Magyar Idők (HU) /

Revolte war zum Scheitern verurteilt

Vom Arabischen Frühling ist nichts als die Ernüchterung von Millionen geblieben, meint der Kommentator Levente Sitke in der rechtskonservativen Tageszeitung Magyar Idők:

„Vor fünf Jahren glaubte die arabische Welt aufrichtig daran, dass es möglich sei, die Geschichte zu verändern und die Vergangenheit auszulöschen. Sie glaubte auch daran, dass eine Heerschar von Sklaven imstande sei, die Welt in ihren Grundfesten zu erschüttern und zur herrschenden Elite zu werden. Revolutionen indes werden in der Regel verraten, dies ist sozusagen ihre Gesetzmäßigkeit. Auch mit dem Arabischen Frühling war es nicht anders. Die Menschen glaubten fest daran, doch weiß niemand so recht, wohin der Weg führt. ... Der Arabische Frühling war zum Scheitern verurteilt, unzählige Menschen haben also für nichts und wieder nichts ihr Leben lassen müssen.“

Milliyet (TR) /

Ohne Diktaturen treten Unterschiede zutage

Der Arabische Frühling hat sich in den meisten Ländern in ein Fiasko verwandelt, nur in Tunesien haben sich die Hoffnungen auf mehr Demokratie verwirklicht, erklärt die konservative Tageszeitung Milliyet:

„Man sollte nicht vergessen, dass die arabische Welt nicht homogen, keine Einheit ist. Aber es ist möglich, von einigen gemeinsamen Punkten zu sprechen. Die Aufhebung der Unterdrückung in diesen Ländern, die viele Jahre lang von Diktaturen regiert wurden, hat die Besonderheiten der Bevölkerungsstruktur, die Unterschiede und Spannungen zwischen ethnischen und konfessionellen Gruppen an die Oberfläche treten lassen. Da Tunesien eine homogenere Bevölkerungsstruktur und eine modernere Kultur besitzt, konnte es sich leichter einem pluralistischen System anpassen. Doch in Syrien, Libyen und dem Jemen haben ethnische und konfessionelle Unterschiede für Kämpfe und Aufruhr gesorgt. In Ägypten hingegen hat der immer existierende 'Militärfaktor' keine religiöse Regierung erlaubt, obwohl diese gewählt wurde.“

The Guardian (GB) /

Der Geist vom Tahrir lebt weiter

Nicht alle Träume von einer Veränderung der ägyptischen Gesellschaft sind geplatzt, zeigt sich die linksliberale Tageszeitung The Guardian optimistisch:

„Es kann nicht geleugnet werden, dass das politische Modell, das seit den Tagen von Präsident Gamal Abdel Nasser [1952-1970] herrschte, gescheitert ist. Wir verzeichneten das Ende einer Elite, die mit Armee und Wirtschaft verbandelt war, nur begrenzte Reformabsichten hatte, Respekt und Gehorsam verlangte, Ausländern Profite versprach, Arbeitern wenig Rechte gab und von unzähligen groben und unverantwortlichen Polizisten gestützt wurde. Im Laufe der Jahre ist die mitunter durchaus väterliche Bevormundung zurückgegangen. Und auch die Ägypter haben sich verändert. Eine zuvor kleine Opposition hat sich vergrößert. Über die Revolution ebenso wie über die darauf folgende Gegenrevolution sagt man, dass beide noch präsent sind. Dieses Kapitel ist noch längst nicht abgeschlossen.“

Star (TR) /

Großmächte haben Revolution erstickt

Für das Scheitern der Revolution in Ägypten sind die Großmächte verantwortlich, meint die regierungsnahe Tageszeitung Star:

„Der Militärputsch General Sisis vom 3. Juli 2013 war ein imperialistischer Putsch nach Wunsch der Großmächte. Sisi ist nichts anderes als eine Marionette der Großmächte. Das zweite Ziel dieser Mächte war Erdoğan. ... Aber sie hatten keinen Erfolg. Im Gegenteil. Die Türkei hat sogar den Putschisten von [dem Militärputsch in der Türkei] 1980 den Prozess gemacht und den Großmächten somit eine Lektion erteilt, die sie verstanden haben. Die Großmächte nannten den Putsch in Ägypten nicht einmal Putsch, im Gegenteil, sie haben den Putschisten Sisi auf allen internationalen Foren begrüßt und so versucht, ihm Legitimität zu verleihen.“

Hospodářské noviny (CZ) /

Es hängt an Saudi-Arabien, dem Iran und der Türkei

Die Bilanz des Arabischen Frühlings nach fünf Jahren fällt katastrophal aus, konstatiert die wirtschaftsliberale Tageszeitung Hospodářské noviny:

„In Libyen, Syrien und dem Jemen herrscht das Chaos. In die übrigen Länder, mit Ausnahme Tunesiens, kehrten Regierungen der starken Hand zurück. Das häufig angeführte Argument, wonach der Westen all das verschuldet habe, stimmt jedoch nicht. Die Gründe für das Ausbrechen des Arabischen Frühlings waren hausgemacht, ebenso wie die seines Scheiterns. ... Die inneren Probleme lassen sich nicht von heute auf morgen lösen. Die muslimischen Länder des Nahen Ostens werden von einer Spannung beherrscht, die in einen offenen Konflikt zwischen den drei Schlüsselmächten Saudi-Arabien, Iran und Türkei münden könnte. Ruhe in die Region kann nur erreicht werden, wenn diese Länder pragmatisch aufeinander zugehen.“