Ist die Herkunft von Tätern für Leser relevant?

Seit der Kölner Silvesternacht wird in Deutschlands Medien diskutiert, ob die Nationalität oder Religion von Tatverdächtigen in der Berichterstattung immer erwähnt werden sollte. Nein, sagt nun der deutsche Presserat – nur, wenn ein begründeter Bezug zum Thema besteht. Ist diese Richtlinie hilfreich?

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taz, die tageszeitung (DE) /

Journalisten müssen jeden Einzelfall prüfen

Mehrere Medien haben bereits angekündigt, die Richtlinie des Pressekodex zu ignorieren. Diese Redaktionen wollen sich offenbar keine Gedanken über die Folgen ihrer Arbeit machen, kritisiert die linke Tageszeitung taz:

„Sie bemühen ein Scheinargument: In einer Zeit, in der Gerüchte schneller durch soziale Medien jagten, als dass sie offiziell bestätigt werden könnten, sei es die Pflicht von Journalisten, alles zu veröffentlichen, um dem Misstrauen gegenüber Medien vorzubeugen. Natürlich ist es die Pflicht von Journalisten, Gerüchten nachzugehen. Genauso ist es aber ihre Pflicht, in jedem Einzelfall zu entscheiden, ob die Nationalität von Straftätern von öffentlichem Interesse ist. Jede Redaktion, auch der Boulevard, trägt eine publizistische Verantwortung - gerade in einer Zeit, in der Asylbewerberunterkünfte brennen. Diese zu erfüllen gehört zum journalistischen Handwerk. Das unterscheidet sie schließlich von Twitter und Facebook“

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tagesschau.de (DE) /

Pressekodex modernisieren

Für Journalisten ist es nicht leicht, hier einen Weg der angemessen Berichterstattung zu finden, stellt Kai Gniffke auf dem öffentlich-rechtlichen Portal tagesschau.de fest:

„Der Pressekodex mahnt, dass die Erwähnung der Herkunft eines Tatverdächtigen Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte. Spricht daraus nicht ein gewisses Misstrauen gegenüber Lesern und Nutzern? … Ein bisschen schon. Das ist das Dilemma, vor dem wir Journalisten stehen. Und doch ist es richtig, dass der deutsche Presserat heute diesen Grundsatz nicht über Bord geworfen hat. ... Allerdings hätte ich mir eine Ergänzung des Pressekodex gewünscht, die das Spannungsverhältnis zwischen Glaubwürdigkeit der Medien und der Nichtnennung der Täterherkunft beschreibt. Solch ein Satz hätte keiner Redaktion die Entscheidung abgenommen, aber der Pressekodex wäre in der Realität Sozialer Medien angekommen.“