Mutmaßlicher Paris-Attentäter Abdeslam gefasst

Seit den Pariser Anschlägen im November 2015 galt Salah Abdeslam als "meistgesuchter Mann Europas". Nun hat die belgische Polizei den Hauptverdächtigen im Brüsseler Stadtteil Molenbeek verhaftet. Bringt seine Festnahme neue Erkenntnisse über die Pläne der IS-Terroristen?

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Večernji list (HR) /

Abdeslam ist nur ein kleiner Fisch

Die triumphale Freude über die Verhaftung Abdeslams soll das eigentliche Versagen des Westens verschleiern, kritisiert die konservative Tageszeitung Večernji list:

„Polizei und Geheimdienste behaupten, dass er der Kopf und Drahtzieher der Attentate ist - tatsächlich ist er nur ein weiterer Dschihadist und Selbstmordattentäter des IS. Und nach dessen Kriterien, hat er versagt, da er nicht den Mut hatte, sich und noch mehr der verhassten Feinde in die Luft zu sprengen. ... Vor einiger Zeit erschütterte uns 'Dschihadi John', der sich als brutaler Henker rühmte. Auch seine Verfolgung dauerte Monate. ... Schließlich rühmten sich die westlichen Verbündeten mit seiner Liquidierung. Aber John wie auch Abdeslam waren nur Einzelne, die für ihre Organisation einen Auftrag ausführten. Das Problem liegt darin, dass der Westen viel zu viel Energie und Geld darauf verschwendet, die kleinen Fische zu jagen und nichts gegen die Ursachen unternimmt, die solche Täter hervorbringen.“

De Morgen (BE) /

Stunde des Rechtsstaats ist gekommen

Nach seiner Festnahme muss Abdeslam einen ehrlichen Prozess bekommen, mahnt die linksliberale Tageszeitung De Morgen:

„Jetzt bekommt Europa endlich eine Chance zu zeigen, warum es so ein besonderer Kontinent ist. Indem sie einem der wichtigsten Terrorismus-Verdächtigen der Welt einen ehrlichen Prozess bieten, werden erst ein belgisches und dann später auch ein französisches Gericht deutlich machen, dass wir in einem Rechtsstaat leben. Die fundamentalen Rechte von Opfern und Tätern stehen über primitiven Rachereflexen. Der Prozess wird nicht mit einer Exekution enden, sondern mit einer langen Gefängnisstrafe. Dass ein Rechtsstaat in der Lage ist, die brutale Gewalt des IS zu besiegen, ist ein beruhigender Gedanke.“

Le Figaro (FR) /

Abdeslam-Prozess ermöglicht neue Erkenntnisse

Die Festnahme von Salah Abdeslam ist nur ein Puzzleteil im Kampf gegen den IS-Terror, meint die konservative Tageszeitung Le Figaro:

„Der Kampf gegen den islamistischen Terror ist bei Weitem noch nicht beendet. Die Festnahme von Salah Abdeslam am Freitag in Brüssel ist jedoch ein unbestreitbarer Erfolg. ... Der Prozess gegen ihn kann stattfinden - voraussichtlich in Paris, wohin er ausgeliefert werden soll. Das Gerichtsverfahren wird es sicherlich ermöglichen, mehr über diese fanatisierten, stark bewaffneten, gut organisierten und entschlossenen Islamisten herauszufinden. Sie sind keineswegs einsame Wölfe, denn sie verfügen über Rückzugslager mit zahlreichen Komplizen, die ihnen dabei helfen, ihre Verbrechen vorzubereiten und auszuführen und die die Drahtzieher hinterher schützen. Alle Viertel, die sich wie Molenbeek (wo die Einsatzkräfte angegriffen wurden!) als Dschihadistennester inmitten von europäischen Großstädten erweisen, müssen dringend geräumt werden.“

Adevărul (RO) /

Viermonatige Suche peinlich für Geheimdienste

Horia Blidaru, Politikberater im Europaparlament, fragt sich in der konservativen Tageszeitung Adevârul, warum Abdeslam seiner Festnahme so lange entgehen konnte:

„Die Festnahme von Salah Abdeslam wirft eine beunruhigende Frage auf: Wie war es möglich, dass einer der Attentäter des 13. November sich vier Monate lang in einer europäischen Hauptstadt verstecken konnte? Wenn er nach Syrien geflüchtet wäre, wie man annahm, wäre es eine weniger peinliche Situation für den belgischen und französischen Geheimdienst gewesen. Sicher, es ist ein Erfolg, dass einer der Verantwortlichen des Massakers festgenommen wurde, vor allem lebendig. ... So haben wir die Chance, mehr von der Organisation zu erfahren, zu der er gehört. ... Doch diese vier Monate sagen viel aus über die Untergrund-Netzwerke, von denen aus der Anschlag startete und in denen sich die islamistischen Terroristen in unmittelbarer Nähe zu den europäischen Institutionen verstecken.“