Terroranschläge in Brüssel

In Brüssel sind bei der Anschlagsserie Ende März mindestens 34 Menschen getötet und 230 verletzt worden. Zu den Attentaten im Flughafen und in einer Metrostation bekannte sich die IS-Terrormiliz. Kommentatoren rufen mehrheitlich dazu auf, besonnen auf die Anschläge zu reagieren und den Terrorismus an seinem Ursprung zu bekämpfen.

Alle Zitate öffnen/schließen
Expressen (SE) /

Opfer zahlen Preis für Schwedens Zögern

Zu den Terrorverdächtigen von Brüssel gehört auch der Schwede Osama Krayem, der am vergangenen Freitag festgenommen wurde. Ein weiterer mutmaßlicher Terrorist, den die belgische Polizei kurz zuvor erschossen hatte, hatte ebenfalls enge Verbindungen nach Schweden. Nun rächt sich die langjährige schwedische Zögerlichkeit im Kampf gegen islamistisches Gedankengut, tadelt die liberale Tageszeitung Dagens Nyheter:

„Die vom gewaltbereiten Dschihadismus ausgehende Gefahr wurde lange heruntergespielt. ... So weigerten sich die Politiker in Malmö lange, einen Handlungsplan [gegen Radikalisierungstendenzen] zu erstellen. ... Die Verantwortung für ihre widerwärtigen Taten tragen die Terroristen selbst. Im Nachhinein drängt sich dennoch die Frage auf, wie viele der Opfer der Dschihadisten hätten gerettet werden können, wenn die Gesellschaft früher und resoluter gegen die Radikalisierung eingeschritten wäre. Übrigens wuchs Osama Krayem just im [Malmöer Vorort] Rosengård auf.“

La Repubblica (IT) /

Propaganda des IS fällt auf fruchtbaren Boden

Ein Großteil der Terroristen von Brüssel und Paris stammt aus Familien, die vor Generationen aus dem Maghreb nach Europa einwanderten. Wie die IS-Propaganda sie zu Mördern macht, erklärt der marokkanische Schriftsteller Tahar Ben Jelloun in der linksliberalen Tageszeitung La Repubblica:

„Der Großteil der Kinder der Migranten leidet an existentieller Unsicherheit, doch greifen sie nicht zu den Waffen, um Unschuldige zu töten. Und hier setzt der Islamische Staat mit seiner teuflischen Propaganda an. ... Er verspricht jenen von Europa vergessenen Söhnen eine glänzende Zukunft, er bietet einen Ausweg, ein Ziel. ... Er sagt: ihr habt in eurem Leben keinen Sinn gefunden, aber ich schlage euch vor, eurem Tod einen Sinn zu verleihen, indem ihr auf dem 'Weg Gottes' (fi sabili Allah) kämpft, der ins Paradies führt. Er stellt den Westen als rein materialistisch dar, ohne jegliche Geistigkeit, ohne göttliche Werte. ... Diese Reden werden von einigen Söhnen der Migranten erhört. Sie schenken ihnen Glauben und gehen zur Aktion über.“

Público (PT) /

Finanzquellen des Terrors austrocknen

Die Finanzierungsquellen des weltweiten Terrorismus müssen endlich ausgetrocknet werden, fordert die liberale Tageszeitung Público:

„Entrüstung, Verurteilung, Mitgefühl und Solidarität: wie auch schon bei den Terroranschlägen in Paris, erleben wir eine nahezu einstimmige Welle gegen diese Terrorakte, die das Herz Belgiens getroffen haben - symbolisch auch das Herz der EU. Doch dieser Zyklus, wo sich die Brutalität des Terrors und der Schmerz der Opfer mit dem Ausdruck internationaler Solidarität und der Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen abwechselt, wird sich endlos wiederholen, wenn das Problem nicht endlich an seinem Ursprung angegangen wird. Vor allem was einen Punkt betrifft, der zwar öfter angesprochen, aber kaum mit Ernsthaftigkeit und Wirksamkeit angegangen wird: Die Finanzierungsquellen dieser Terrorgruppen, die von einem komplexen Interessengeflecht umhüllt und bisher weitgehend verschont geblieben sind.“

Novi list (HR) /

Mit der Bedrohung leben lernen

Gegen den Terror hilft am besten Geduld, meint die linksliberale Tageszeitung Novi list:

„Im Kampf gegen den Terrorismus müssen die Bürger Europas lernen, mit dem Terrorismus zu leben - nicht aber sich an ihn selbst gewöhnen, was eine schreckliche Niederlage wäre. Für viele wäre es nicht das erste Mal: Im gewissen Sinne hatten sich die Briten in Zeiten der IRA an ein Leben mit dem Terrorismus gewöhnt ebenso wie die Spanier wegen der Eta, die Italiener wegen der Roten Brigaden, oder die Deutschen wegen der RAF. All diese Erfahrungen haben gezeigt, dass Geduld eine wichtige Waffe gegen den Terror ist. Das mag zynisch klingen, sich auf ein Leben mit dem Terrorismus einzurichten und dazu noch Geduld zu zeigen, aber so liegen die Dinge nun einmal. ... Der Kampf gegen den Terror wird andauern, bis der Nährboden ausgetrocknet ist, aus dem der Terrorismus erwächst. Und diesmal könnte das länger dauern, denn der Nährboden liegt nicht mehr innerhalb der Gesellschaften Europas.“

La Stampa (IT) /

Endlich Soldaten gegen den IS entsenden

Die Verschärfung von Anti-Terrorgesetzen schafft keine Abhilfe, der Terror muss militärisch an seiner Wurzel bekämpft werden, fordert der britische Journalist Bill Emmott in der liberalen Tageszeitung La Stampa:

„Das erreicht man nicht mit sporadischen Bombenangriffen auf sensible Ziele des Islamischen Staats. ... Wohl aber damit, dass die europäischen Regierungen der Regierung Obama klarmachen, dass sich das Risiko lohnt, während seines letzten Amtsjahres eine führende Rolle in einem Militäreinsatz einzunehmen. Das Ziel ist klar: Es muss gezeigt werden, dass der Islamische Staat der Verlierer ist, eine Macht, die im Niedergang ist. ... Militärische Niederlagen würden ihm seine Anziehungskraft rauben. ... Ein Ziel, das nur erreicht wird, indem man echte Truppen entsendet, in Absprache mit den arabischen Staaten, die dem IS diese Niederlagen zufügen. Keine schöne Aussicht, doch die Alternative sind weitere Terroranschläge in europäischen Städten.“

The Independent (GB) /

Quittung für Scheitern des belgischen Staats

Die jahrelangen Spannungen zwischen den unterschiedlichen Regionen Belgiens haben das Land entscheidend geschwächt, analysiert die linksliberale Tageszeitung The Independent:

„In den vergangenen zwei Jahrzehnten sind Teile des belgischen Bundesstaats ins Chaos abgeglitten und verfallen, weil die wahre politische Macht und Schirmherrschaft auf die auf Sprache basierenden Regionen Flandern, Wallonien und Brüssel übergegangen sind. Die Zusammenarbeit zwischen den Polizeikräften einerseits sowie zwischen der Polizei und den Sicherheits- und Geheimdiensten andererseits ist mittlerweile ein Witz. Der schwelenden Radikalisierung in muslimisch dominierten Bezirken Brüssels wie Molenbeek wurde nichts entgegensetzt. ... Ultranationalisten in Frankreich und EU-Gegner in Großbritannien können auf Belgien als Beispiel dafür zeigen, was passiert, wenn ein starkes Nationalbewusstsein stirbt und starke staatliche Institutionen versagen.“

Die Presse (AT) /

Geschwächte IS-Miliz wird gefährlicher

Die Anschläge von Brüssel sind das Ergebnis militärischer Erfolge gegen die Terrororganisation Islamischer Staat, glaubt die konservative Tageszeitung Die Presse:

„In Syrien und im Irak hat er [der IS] weite Gebiete verloren. Er bunkert sich in seinen Hochburgen Raqqa und Mossul ein, wartet auf die Gegenoffensiven kurdischer Einheiten und der irakischen Armee. Je mehr der IS jedoch auf den Schlachtfeldern ins Hintertreffen gerät, desto stärker wird er versuchen, 'weiche Ziele' anzugreifen - also Attentate in Europa durchzuführen. Das soll von seinen Niederlagen ablenken, ihn weiterhin für ausländische Kämpfer attraktiv halten. ... In Europa müssen zugleich größere Anstrengungen unternommen werden, um junge Männer und auch Frauen davon abzuhalten, sich extremistischen Gruppen anzuschließen. Und die Behörden müssen für weitere Attentate gewappnet sein: Denn der IS kämpft in Syrien und im Irak ums Überleben. Und das könnte ihn in Europa noch gefährlicher werden lassen als bisher.“

L'Obs (FR) /

Europäische Reaktion auf Anschläge nötig

Die Anschlagsserie in Brüssel gilt ganz Europa, ist das linksliberale Wochenmagazins L'Obs überzeugt und fordert die europäischen Staaten daher zu einem kraftvolleren gemeinsamen Handeln auf:

„Kein Land hat ausreichend finanzielle oder militärische Mittel, um allein handeln zu können. … Einer gemeinsamen Bedrohung kann man nur gemeinsam begegnen. Europa muss schneller auf eine bessere und weitreichendere Integration zusteuern: Es muss seine Außengrenzen besser schützen, die innereuropäische Zusammenarbeit von Polizei, Justiz und Überwachungsdiensten verstärken, einen gemeinsamen Plan für die Kontrolle des illegalen Waffenhandels verabschieden, international mit einer Stimme sprechen und unser Sozialmodell stärken. Europa darf nicht hinnehmen, dass ganze Viertel vernachlässigt werden. … Dieser Weg ist komplexer und härter als der, den die nationalistischen und autoritären Vorschläge vorgeben. Doch wenn das Ziel darin besteht, unser Leben und unsere Werte zu schützen, ist das der beste Weg.“

De Standaard (BE) /

Nicht in Wut erstarren

Angst und Wut dürfen nach den Anschlägen nicht siegen, mahnt die liberale Tageszeitung De Standaard:

„Die Wut ist gerechtfertigt. Aber sie muss Anlass für ein konstruktives Projekt sein. ... Wir werden von denen angegriffen, die sich dafür entschieden haben, unsere Feinde zu sein, sagte Premier Charles Michel gestern. Diese Beschreibung ist klug und richtig. Sie geht von einem Selbstbewusstsein aus und das 'Wir' lässt jeden zu, der zu unserer Demokratie gehören will. Aber das nimmt die Spannungen nicht. ... Den Terror kann man nicht abwehren, ohne die Radikalisierung und ihren Nährboden in den muslimischen Gemeinschaften anzugehen. Gerade nach solchen Anschlägen fordert unsere Demokratie Respekt für Normen und Freiheiten. Dieser Forderung müssen wir nun mit einer breiten sozialen Wende Nachdruck verleihen. ... Die muslimischen Gemeinschaften müssen dabei eine Hauptrolle spielen - nicht weil sie verdächtig sind, sondern weil wir gemeinsam eine Gesellschaft bilden wollen.“

tagesschau.de (DE) /

Hetze gegen Islam ist Nährboden für Terror

Unmittelbar nach den Anschlägen von Brüssel haben zahlreiche Menschen im Netz Stimmung gegen Flüchtlinge und den Islam gemacht. Das ist kontraproduktiv, warnt das öffentlich-rechtliche Portal tagesschau.de:

„Was diese [Kommentatoren] nicht begreifen, ist, dass sie damit das Geschäft der Attentäter betreiben. Das Ziel des selbst ernannten 'Islamischen Staates' ist es schon lange, dass Moslems in den westlichen Gesellschaften möglichst stark an den Rand gedrängt werden. Wer hier keine Chance hat, so das Kalkül, ist leichte Beute für die Terroristen. Abgehängte Viertel wie Molenbeek oder die Pariser Banlieus sind nicht umsonst ideale Brutstätten, um Nachwuchs für den Terror zu rekrutieren. Dass der sogenannte 'Islamische Staat' mit dem Islam von Millionen Moslems wenig zu tun hat, verwischen die Fanatiker bewusst. Wer das Geschäft dieser Terroristen nicht unterstützen will, sucht jetzt erst recht den Schulterschluss mit allen friedliebenden Menschen - egal welcher Religion.“

Novi list (HR) /

Angriff auf die tolerante Gesellschaft

Hetze gegen Muslime infolge der Brüsseler Anschläge könnte einen Keil zwischen Christen und Muslime treiben, fürchtet die linksliberale Tageszeitung Novi list:

„Jetzt wird wieder die anti-muslimische Hysterie Aufwind bekommen, dabei ist es doch gerade eines der Hauptziele der Terroristen, Spannungen zwischen Christen und Muslimen zu schaffen. Das Ziel der Bombenleger von Brüssel waren nicht die Christen und ihr Gott, sondern die Idee, dass Christen, Muslime und Anhänger anderer Glaubensrichtungen in Europa zusammenleben können. Miteinander oder Nebeneinander, aber in jedem Fall ohne sich gegenseitig abzuschlachten. Die Idee von Toleranz und Zusammenleben ungeachtet der religiösen und nationalen Zugehörigkeit - ist das nicht der eigentliche Kern des vereinten Europas? Eine Idee, die angesichts einer Ideologie der Intoleranz, der Ausschließlichkeit und der Panik zu scheitern droht.“

News.bg (BG) /

Liberale Weicheier gefährden Sicherheit der EU

Nach den Attentaten in Brüssel fragt das Nachrichtenportal News.bg wütend:

„Madrid, London, Paris, Brüssel: Was muss noch alles geschehen, damit die politische Elite Europas endlich die Sicherheit ihrer Bürger zu ihrem Anliegen macht, anstatt nur von der Erhaltung von Werten zu sprechen? Die Werte, Prinzipien und demokratischen Grundlagen unserer Gesellschaften sind das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben sind, wenn wir nicht bereit sind, sie zu verteidigen. Europa, das der Welt die moderne Zivilisation geschenkt hat, die Menschenrechte, den Respekt vor der Freiheit, ist zum Gespött geworden für arrogante Diktatoren, mit denen Merkel und Co. glauben, Abkommen schließen zu können. Die Rettung liegt nicht in der Wiedererrichtung nationaler Grenzen. Die Rettung liegt darin, dass wir an die Spitze Europas wieder Menschen wählen, die die Kraft und den Willen haben, Europa zum Sieg zu führen gegen die dritte satanische Anti-Utopie, der es in den vergangenen 100 Jahren anheimfällt.“

Basler Zeitung (CH) /

Europa ist mit seinem Latein am Ende

Die Anschläge von Brüssel zeigen die Hilflosigkeit westlicher Staaten gegenüber den IS-Terroristen, meint die rechtskonservative Basler Zeitung:

„Solcher Wahnsinn, so scheint es, kann weder mit Bomben unsererseits noch mit Hätschel-Sozialpolitik, noch mit Geheimdienstmassnahmen und dem Verwandeln von Städten in Hochsicherheitszonen bekämpft und ausgerottet werden. Und das Implantieren einer humanistischen Vernunft oder von, ja, Anstand, das Bekanntmachen des Unterschiedes von Schuldigen und Unschuldigen verspricht bei diesen Verblendeten in etwa so viel Erfolg, wie aus einer Bombe eine Friedenstaube zu basteln. Es spielt auch keine Rolle, wie viel Mitschuld die westliche Politik am Terror in Europa trägt, weil es nichts gibt, was solche Massaker im Namen Allahs oder von sonst was rechtfertigen würde. So sieht es aus, heute am 23. März 2016: Wir sind am Ende unseres Lateins, wir sind besiegt.“

Blog Csibakatalin (HU) /

Belgier reagieren auf Terror wie Manneken Pis

Trotz der verheerenden Anschläge in Brüssel sind die Belgier in verblüffender Weise gelassen geblieben, meint die in Brüssel lebende Bloggerin Katalin Csiba in ihrem Blog:

„In einem sind die belgischen Staatsbürger besonders zu bewundern. Sie verfallen nicht in Panik. Es ist denn auch schwierig, sie zu erschrecken. Kennen Sie den Manneken Pis, das nationale Symbol? Ich habe irgendwie das Gefühl, dass die Belgier die Haltung des kleinen Jungen mit langem Strahl auch gegenüber den Terroristen an den Tag legen. ... Sie haben aus unerklärlichen Gründen keine Angst. Und diese verblüffende Angstlosigkeit ist in der gesamten Stadt spürbar. ... Die Kraft der Furchtlosigkeit ist insofern enorm wichtig, als sie dabei hilft, die Muslime und Flüchtlinge vor jenen skrupellosen Politikern in Belgien zu schützen, die sie nun wohl wieder heftig unter Beschuss nehmen werden.“

Mehr Meinungen

The Guardian (GB) / 22. März 2016
  Zurückhaltung ist beste Reaktion auf Terror (auf Englisch)
Welt (DE) / 23. März 2016
  Dilettantische Polizeiarbeit ist empörend