Gedenken an das Grauen von Verdun

Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Hollande haben am Sonntag gemeinsam an die Schlacht von Verdun vor 100 Jahren erinnert, in der 300.000 Soldaten starben. Das EU-Projekt bewahrt uns davor, dass sich solche Tragödien wiederholen, glauben einige Kommentatoren. Andere fürchten, dass nationale Reflexe und Abschottung neue Kriege in Europa entfachen.

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Frankfurter Allgemeine Zeitung (DE) /

Antwort auf antieuropäischen Missmut

In einer Zeit, in der der Zusammenhalt der EU oft leichtfertig in Frage gestellt wird, ist das Gedenken an die grausame Schlacht besonders wichtig, resümiert die Frankfurter Allgemeine Zeitung:

„Verdun mahnt auch dazu, über die Normalität des Alltags mit seinen kleineren und größeren Meinungsverschiedenheiten die Größe der Versöhnungsleistung nie zu vergessen. ... Auch der europäische Rahmen, in dem dieses Versöhnen möglich wurde, ist nicht selbstverständlich. Auch daran muss man erinnern, gerade in diesen Zeiten, in denen die europäischen Bindekräfte schwächer werden und zahlreiche Krisen den Zusammenhalt der Europäischen Union in Frage stellen. Mit dem Hinweis auf 'Verdun' kann man Streit in der Europapolitik nicht bannen. Natürlich nicht. Streit und Dissens sind notwendig, selbst wenn es in der Europapolitik dann schnell ans 'Eingemachte' geht. Aber vielleicht sollten auch diejenigen innehalten, die mit Gleichgültigkeit oder gar Häme das Erstarken von Kräften hinnehmen, welche die Union der Europäer für einen die Freiheit abwürgenden Fehler halten.“

El Mundo (ES) /

Nur Europas Einigung verhindert solche Tragödien

Die Europäische Union ist entstanden, um weitere Kriege zu verhindern, ruft El Mundo in Erinnerung:

„Von Anfang an war das Projekt der europäischen Einigung der beste Schutz davor, dass sich derartige Tragödien wiederholen. ... Akte wie der gestrige in Verdun erhalten deshalb eine besondere Bedeutung. Deutschland und Frankreich - Feinde in zwei Weltkriegen - bilden heute den Motor eines Europas, das seine Gespenster vertreiben muss, um sich auf die Werte zu besinnen, die eine lange Periode des Wohlstands ermöglichten. 'Rein nationalstaatliches Denken und Handeln würde uns zurückwerfen', warnte die Bundeskanzlerin gestern. Mit ihrem Gedenken an Tausende gefallene Soldaten im Beinhaus von Douaumont, sprachen Merkel und Hollande all denjenigen aus der Seele, die hoffen, dass Verdun nur eine Narbe in der europäischen Erinnerung ist, und keine offene Wunde.“

Libération (FR) /

Wir steuern auf ein neues Verdun zu

Dass gerade in den Nationen, die sich 1916 bekriegt haben, derzeit fremdenfeindliche Kräfte besonders erfolgreich sind, bereitet Libération große Sorgen:

„Im zivilisierten Europa ist ein Krieg unmöglich, sagen die Verantwortlichen. ... Doch was wissen sie schon? Selbstverständlich will keine Regierung - auch keine populistische - in naher Zukunft den Weg von 1914 einschlagen. Aber langfristig? Die Nachkriegsgenerationen haben ihren Kindern ein friedliches Europa hinterlassen. Ein enttäuschendes, ungewisses, fernes, aber immerhin friedliches. Auf dem langen Weg zurück in den Krieg wird nun ein erster Schritt vollzogen: Man will die Grenzen wiederherstellen, nationale Reflexe wieder dominieren lassen und vom Misstrauen gegenüber dem Anderen profitieren. Um es ganz deutlich zu sagen: So klein dieser erste Schritt Richtung Verdun auch ist, im Hinblick auf die Geschichte stellt er ein Verbrechen dar.“

Mehr Meinungen

The Guardian (GB) / 30. Mai 2016
  Verdun sollte Briten an Errungenschaften der EU erinnern (auf Englisch)