Gewalt in USA eskaliert

Nach dem Mord an fünf Polizisten in Dallas ist die Stimmung in den USA aufgeheizt. Ein Heckenschütze erschoss die Beamten am Donnerstag von einem Parkhaus aus während einer Demonstration gegen rassistische Polizeigewalt. Anlass der Demonstration war der Tod zweier Afroamerikaner in Minnesota und Louisiana durch Polizeischüsse. Droht den USA eine neue Welle von Rassenunruhen?

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De Volkskrant (NL) /

Martin Luther Kings Traum ist geplatzt

Der Traum von Martin Luther King ist 50 Jahre nach seiner berühmten Rede noch immer nicht Wirklichkeit, stellt De Volkskrant bitter fest:

„Die Kluft zwischen Schwarz und Weiß scheint sogar noch tiefer geworden zu sein. Gerechtigkeit ist noch immer ein Gut, auf das sich die schwarze Bevölkerung längst nicht immer berufen kann. Das zeigt sich in der Reihe von Fällen extremer Polizeigewalt. Die Wut darüber droht Amerika nun in eine gefährliche Gewaltspirale zu treiben. ... Auch jetzt überwiegen die friedlichen Proteste, auch wenn manche rechte Kommentatoren nun die Bewegung 'Black Lives Matter' beschuldigen, einen Nährboden für den Anschlag auf die Polizisten geschaffen zu haben. ... Dennoch muss auch 'Black Lives Matter' akzeptieren, dass Polizisten unverhältnismäßig oft Opfer von schwarzen Tätern werden. Die Polizei muss oft in Vierteln operieren, in denen Schwarze von der Politik im Stich gelassen wurden. Eine gefährliche Mischung von einem Mangel an Chancen und einem Überfluss an Waffen.“

Jutarnji list (HR) /

Explosive Situation

In dem Anschlag in Dallas sieht Jutarnji list einen Vorboten für neue Rassenunruhen in den USA:

„So wie eine relativ geringe Zahl Rassisten in Polizeiuniformen ausreicht, um weltweit den Eindruck zu erwecken, amerikanische Polizisten würden Afroamerikaner ungestraft wie Tontauben abknallen und Rassismus unter dem Deckmantel des Staates durchsetzen, so reichen jetzt einige Extremisten für den Eindruck (denn es ist ja noch nicht erwiesen) dass die andere Seite die gleiche Logik anwendet: mit Terror auf das, was sie als Terror empfinden, zu antworten und selbst Polizisten wie Tontauben abzuknallen. Der Rassenterrorismus ist also im Gange und bis zu Rassenunruhen ist es nur ein kleiner Schritt.“

The Guardian (GB) /

Cops müssen sich in die Gesellschaft integrieren

Die Ereignisse in Dallas, Baton Rouge und Falcon Heights zeigen, wie zerrüttet das Verhältnis zwischen Afroamerikanern und US-Polizei ist, schreibt US-Kolumnist Al Sharpton im Guardian:

„Polizisten müssen in den Städten und Vierteln leben, in denen sie Streife fahren. So wären sie keine überwachenden Fremden, sondern Nachbarn, die man auch im Einkaufsladen sieht, deren Kinder auf gemeinsame Schulen gehen und die das gleiche für die Gemeinde möchten. … Früher war es so, dass Eltern ihren Kindern etwas über Bienen und Vögel beibrachten; jetzt unterrichten farbige Eltern ihre Kinder darin, wie sie sich verhalten müssen, wenn sie von der Polizei angehalten werden, damit sie nicht getötet werden bevor die Begegnung vorüber ist. So lange diese Mängel und Ungerechtigkeiten bei der Polizei nicht adressiert werden, desto länger schwelen sie weiter und sind eine Gefahr für uns alle.“

Le Soir (BE) /

Trump könnte von Gewalt profitieren

Ein Aufleben der Gewalt zwischen schwarzen und weißen US-Bürgern könnte dem Präsidentschaftskandidaten der Republikaner, Donald Trump, zum Wahlsieg verhelfen, fürchtet Le Soir:

„Dallas 2016 ruft die grundlegenden Widersprüche der USA in Erinnerung - eines Landes, das sowohl das Beste als auch das Schlimmste bietet und mit einem Fuß in der Modernität, mit dem anderen in der Unterentwicklung steckt. ... In diesem Wahljahr muss man sich selbstverständlich fragen, wer Amerika befrieden, es mit sich selbst versöhnen und auf den Weg des Fortschritt führen kann. Sicherlich nicht der große lächerliche Hanswurst, der seit Beginn seiner Kampagne eifrig die Glut aller Brände befeuert! Zwar disqualifiziert die Vernunft Donald Trump, doch könnte ein mögliches Aufflammen der Rassengewalt ihm leider die Türen ins Weiße Haus öffnen.“

Mehr Meinungen

Süddeutsche Zeitung (DE) / 11. Juli 2016
  Rassismus sollte Obamas Thema für die letzten Monate werden