Was können die anderen der AfD entgegensetzen?

Die AfD ist bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern zweitstärkste Kraft geworden. Kommentatoren fragen sich, wie die anderen Parteien auf den Aufstieg der Nationalkonservativen reagieren sollen und mahnen, dass die Antworten nicht nur national ausfallen dürfen.

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Deutschlandfunk (DE) /

CSU präsentiert zu Recht schärfere Asylpolitik

Die CSU hat am Donnerstag ein Strategiepapier zum Umgang mit Flüchtlingen präsentiert. Gefordert werden unter anderem ein teilweises Burkaverbot und die Bevorzugung christlicher Einwanderer. Das ist kein Anbiedern an die AfD, betont der Deutschlandfunk:

„Obergrenze, mehr Abschiebungen, doppelte Staatsbürgerschaft abschaffen, Burka verbieten - das sind weder inhaltlich noch sprachlich Entgleisungen. Es sind Forderungen, die - wenn man Umfragen glaubt - eine Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland teilt - aus guten Gründen. ... Die Wirklichkeit hat ... gezeigt, dass Grenzschutz wirkt, wenn man bereit ist, ihn durchzusetzen. Dass Grenzschutz nicht einmal zu einer humanitären Notlage führen muss. Dagegen führt es oft zu einer politischen Notlage, wenn Entscheidungsträger ihre Entscheidungen als 'alternativlos' darstellen. Egal, ob es sich um die Euro-Rettung oder die Asylpolitik handelt. Darauf hinzuweisen, ist Horst Seehofers gutes Recht - und kein schlechter Stil.“

Magyar Nemzet (HU) /

SPD sollte linke Alternative zur AfD werden

Deutschland braucht mehr als eine "Alternative" von rechts, meint Magyar Nemzet und sieht die Sozialdemokraten in der Pflicht, sich programmatisch neu auszurichten:

„Das österreichische Beispiel zeigt, dass es nur dem rechten Populismus zugutekommt, wenn die demokratischen Parteien keine Alternativen zueinander darstellen, sondern sich lediglich von den Populisten abgrenzen. Auch der deutschen Politik würde es gut tun, wenn dem Merkelschen Kurs nicht nur eine zornige Ablehnung, verkörpert durch die AfD, gegenüberstünde, sondern das Programm einer echten demokratischen Partei. Die SPD sollte endlich den Mumm haben, sich gegenüber den zwei linken Oppositionskräften im Bundestag mit der Betonung sozialer Fragen (auf diesem Gebiet liegen CDU und AfD gar nicht so weit auseinander) zu öffnen. Dieser Zusammenschluss der linken Parteien könnte jene andere 'Alternative für Deutschland' sein, die die deutsche Demokratie so dringend benötigt.“

Le Jeudi (LU) /

Populismus verlangt eine europäische Reaktion

Dem Aufstieg der Populisten kann nicht nur in dem jeweiligen Land begegnet werden, mahnt Le Jeudi:

„Anstatt dass man sich von den gesellschaftlichen Ängsten absorbieren lässt, die Nährboden solcher Parteien sind, sollte man in Deutschland wie anderswo soziale und nicht nur wirtschaftliche Antworten geben. Und vor allem sollte eine intellektuelle Strenge angewendet werden, die Anstoß an all den ausgesprochenen Unwahrheiten nimmt, die das Diskussionsniveau absenken und vereinfachenden Gedanken ein Forum bieten. Die Antwort auf den Aufstieg dieser populistischen Strömungen kann nicht nur national sein und im Rahmen von Wahlkämpfen erfolgen. Sie ist auch und vor allem europäisch. Das informelle Treffen der 27 am 16. September in Bratislava, das sich mit dem Europa von morgen befassen muss, ist in dieser Hinsicht entscheidend. Denn die Wahlerfolge der Populisten untergraben nach dem Vorbild des Brexit insbesondere die Zukunft der Europäischen Union.“

Zeit Online (DE) /

Der AfD ist sehr wohl beizukommen

Die etablierten Parteien haben im Umgang mit der AfD viel falsch gemacht, erklärt die FDP-Politikerin und frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger auf Zeit Online:

„Ein wichtiger Schritt ist das schnelle Erkennen und die rasche und angemessene Reaktion auf populistische Agitation. Viel zu lange haben die Regierungsparteien die Chance verpasst, in der Flüchtlingsdebatte früh eine versachlichte Diskussion loszutreten. Sobald die politische Diskussion ins Irrationale abgleitet, ist es nur schwer möglich, mit sachlichen Argumenten und Fakten die Deutungshoheit zurückzugewinnen. ... Die Demokratie kennt keine absoluten Wahrheiten. Deswegen fordern die Bürger zu Recht Problemlösungskompetenz ein. Die Wähler der AfD, das zeigen Umfragen, trauen ihrer Partei kaum Problemlösungskompetenz zu. Überzogene Versprechungen auf populistische Forderungen mögen ein kurzfristiges Heilmittel sein, bei der nächsten Wahl werden die Wähler das nicht vergessen haben.“

Mozgástér (HU) /

Das ganze politische Establishment ist schuld

Der Aufstieg der AfD in Mecklenburg-Vorpommern ist nicht nur Merkel in die Schuhe zu schieben, erklärt Analyst Péter Törcsi auf dem Blogportal Mozgástér:

„Freilich, Merkel trägt die Hauptschuld, weil sie mit ihrer irrigen Flüchtlingspolitik den Geist aus der Flasche gelassen hat. ... Betrachten wir das Wahlergebnis allerdings näher, wird klar, dass die Wähler nicht nur wegen einer Merkel-Phobie in die Arme der AfD getrieben wurden. Vielmehr hat der Wahlerfolg der AfD auch mit einer Ablehnung der gesamten politischen Elite zu tun. Obwohl diese versucht, sich der Verantwortung zu entziehen und die AfD mit sozialer Demagogie von links zu überholen, ist auch die SPD mitschuldig. Ebenso die Grünen, die neben der CDU als wichtigste Befürworter von Merkels Flüchtlingspolitik gelten. Die 'Linke' wiederum ist eine postkommunistische DDR-Nachfolgepartei und wird deshalb ebenfalls als Teil der Elite angesehen.“

Jornal de Negócios (PT) /

Populisten werden Bundestagswahlkampf bestimmen

Nichts und niemand kann die AfD vor der Bundestagswahl im kommenden Jahr noch aufhalten, ist Jornal de Negócios überzeugt:

„Der Einzug der AfD von Frauke Petry in den Bundestag im Herbst 2017 ist sicher. Und falls auch die Liberalen der FDP, die bei den letzten Wahlen an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert sind, zurückkehren sollten, dann wird es für Merkels Christdemokraten und CSU-Kollegen schwierig, eine Koalitionsregierung nur mit der SPD anzustreben. Der Anti-Islam-Diskurs der AfD schließt sie zwar von Bündnissen auf Bundes- und Länderebene aus, doch es ist genau dieser ausländerfeindliche Protest-Diskurs der - ein Jahr nach Merkels 'Wir schaffen das' - momentan die politische Debatte prägt. ... Aus München bläst CSU-Chef Horst Seehofer zur Attacke und kritisiert die Kanzlerin offen. Doch der bayerische Konservativismus der CSU tut sich schwer, einen Herausforderer zu finden, der es mit Merkel aufnehmen könnte.“

Financial Times (GB) /

Koalition mit AfD nicht ausschließen

Die AfD politisch in die Verantwortung zu nehmen, könnte sich als beste Strategie erweisen, die Partei zu entzaubern, rät Bild-Vizechefredakteur Nikolaus Blome in der Financial Times:

„Die AfD in den Kreis der möglichen Koalitionspartner aufzunehmen, könnte eine Möglichkeit darstellen, eine populistische Bewegung zu schwächen, die sich eindeutig gegen die Eliten richtet und ausländerfeindlich ist. AfD-Funktionäre sagen offen, dass sie nicht Teil einer Regierung sein wollen, aber sie können nicht erklären, warum. Sie in dieser Frage unter Druck zu setzen, könnte mehr dazu beitragen, Unterstützung für die Partei abklingen zu lassen, als alle anderen Strategien, die die CDU bisher versucht hat. Unglücklicherweise ist Merkel nicht gerade eine wagemutige oder kühne Politikerin. Vermutlich wird sie versuchen, genau so weiterzumachen wie bisher anstatt das heikle Thema aufs Tapet zu bringen, ob mit der AfD koaliert oder zusammengearbeitet werden kann.“

Corriere del Ticino (CH) /

Verteufelung ist zu einfach

Die anderen Parteien sollten die AfD nicht verteufeln, sondern sich mit ihren Inhalten auseinandersetzen, appelliert die Tageszeitung Corriere del Ticino:

„Es ist falsch, die AfD als eine rechtsextreme Partei hinzustellen. Das ist die NPD, die gerade wegen ihres unmöglichen Extremismus' nie den Durchbruch geschafft hat. Die AfD von Frauke Petry hingegen kommt sowohl bei den Ärmeren als auch in der Mittelschicht gut an. Ihr Programm beginnt mit der Aussage, die Partei sei liberal und konservativ. ... Sie ist für das Europa der Vaterländer, will ein Referendum zum Euro, mehr Polizei und eine bessere Justiz, eine Begrenzung der Zuwanderung, die Abschottung vom Islam, weniger Bürokratie und die Verteidigung der kulturellen Identität. Zudem hat sie klare ökologische Ideen. Alles Themen, in denen die AfD sich in direkter Konkurrenz zur CDU befindet, aber nicht nur: Am Sonntag haben auch die Grünen und die Linke Schiffbruch erlitten.“

Hospodářské noviny (CZ) /

Populärer werden sie nicht mehr

In Mecklenburg-Vorpommern hat die AfD nach Meinung der Hospodářské noviny ihren Zenit erreicht:

„Ungeachtet dessen, dass die AfD jetzt in neun der 16 deutschen Länderparlamente sitzt, hat sie nicht das Zeug dazu, sich bei den Bundestagswahlen gegen die derzeitige Koalition durchzusetzen. Das Ergebnis vom Sonntag war das Maximum. In den westlichen Bundesländern ist die AfD nicht so populär. Dort glauben nur wenige, dass die AfD die wirtschaftliche Realität verbessern kann. Und die ist nun einmal die Grundlage von allem. Wenn die Deutschen etwas wirklich wollen, dann ist das die wirtschaftliche Sicherheit, die ihr die Union und die SPD bislang über lange Jahre garantierten. Deutschland und die Stabilität in ganz Europa sind nur in einer größeren Wirtschaftskrise bedroht. Mit einer sicheren Wirtschaft nimmt die CDU der AfD den Wind aus den Segeln.“

Berliner Zeitung (DE) /

Liberalen Konsens verteidigen

Die demokratischen Parteien müssen der AfD endlich vereint und mit Haltung entgegentreten, mahnt die Berliner Zeitung:

„Es ist erschreckend, wieviel Einfluss die AfD heute schon auf die öffentliche Meinung, Stimmung und vor allem die Politik hat. Und die Politiker reagieren auf die AfD genau so, wie sie es nicht tun sollten. Sie bleiben nicht bei sich und ihrer Politik. Sie führen Abwehrschlachten. ... So wird daraus kein Konsens der Demokraten gegen Rechts. Den aber brauchen wir angesichts der Erfolge der AfD dringend. Denn man darf nicht unterschätzen, dass zwar die Wähler in erster Linie Protest gewählt haben. Man kann sich einreden, dass diese durch gute Sozialpolitik und politische Zuwendung zurückgeholt werden können. Die AfD aber ist eine Partei, die den liberalen Konsens aufkündigen und das Land deutlich verändern möchte. Und wer weiß, wie viele Wähler daran dann doch Gefallen finden.“

Tages-Anzeiger (CH) /

Peripherie braucht Investitionen

Dem Erfolg der AfD kann die CDU nur mit groß angelegten öffentlichen Ausgaben begegnen, glaubt der Tages-Anzeiger:

„Die grosse staatliche Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge hat gerade im Osten an vielen Orten den Neid derer geweckt, die das Gefühl haben, sie kämen selber zu kurz. Gegen den Fremdenhass, der sich zunehmend ungenierter zeigt, vermag bürgerliche Politik nur wenig. Verschärft die CDU ihre Rhetorik gegen Ausländer und lässt sich von der allgemeinen Anti-Islam-Hysterie mitreissen, hilft das nicht ihr, sondern bestätigt nur die Politik der AfD. ... Der deutsche Staat muss wieder mehr da investieren, wo sich die Leute nicht nur vernachlässigt fühlen, sondern es sind. Da, wo die Schulen und Läden schliessen, der Bus nicht mehr fährt und die Feuerwehr nur noch am Wochenende ausrückt, weil die Gemeinden klamm sind: auf dem Land, auf dem Dorf, in den armen Vierteln der Städte. Der Staat kann es sich leisten. Und er ist es den Bürgern schuldig, die jetzt mit Missgunst auf die Neuankömmlinge schauen.“

Mediapart (FR) /

Schluss mit der Sparpolitik

Die früheren Mehrheitsparteien haben sich vor allem durch ihre Wirtschaftspolitik unbeliebt gemacht, analysiert Jean Bachèlerie auf seinem Blog bei Mediapart:

„Das deutsche Wunder wirkt immer mehr wie ein Trugbild, das die EU im Namen eines ordoliberalen Wirtschaftsmodells einer rezessiven Wirtschaftspolitik unterwirft. Dadurch werden Ungleichheiten verstärkt, während die großen deutschen Konzerne bevorteilt werden und von der Deindustrialisierung profitieren, die die Sparpolitik in Europa verursacht. Dadurch, dass sozialdemokratische Kompromisse aufgegeben wurden, hat sich die Sozialdemokratie in eine Partei verwandelt, die die liberale Globalisierung fördert. Das gilt für ganz Europa einschließlich der nordischen Länder wie Schweden. Das Ergebnis ist der Einflussverlust der Mehrheitsparteien, die lange über 35 Prozent der Stimmen erhielten. Sie sind nun zu Minderheitsparteien geworden. … Dieser Einflussverlust hat Platz gemacht für die extreme Rechte.“

NRC (NL) /

Signal gegen "Wir schaffen das"

Der Sieg der AfD in Mecklenburg-Vorpommern ist ein deutliches Signal gegen Merkels Flüchtlingspolitik, kommentiert NRC Handelsblad:

„Das Bundesland ist nicht repräsentativ für die Bundesrepublik. Und die wirtschaftliche Bedeutung ist auch bescheiden. Aber das Signal der Wähler ist es nicht. Genau ein Jahr, nachdem Merkel beschlossen hatte, Flüchtlinge aus Ungarn aufzunehmen, konnten die Kanzlerin und ihre Partei einen großen Teil der öffentlichen Meinung nicht von ihrer Politik überzeugen. ... In den letzten Monaten wurde bereits deutlich, dass viele christdemokratische Politiker sich von Merkels Flüchtlingspolitik distanzierten und damit auch von der Bundeskanzlerin selbst. Die Spaltung der CDU/CSU ist besonders brisant, weil in einem Jahr die Bundestagswahl ist und Merkel noch nicht bekannt gemacht hat, ob sie Kandidatin für eine vierte Amtsperiode wird.“