Wie heilig war Mutter Teresa wirklich?

Papst Franziskus hat Mutter Teresa am Sonntag auf dem Petersplatz in Rom heilig gesprochen. 19 Jahre nach ihrem Tod würdigte er damit die Verdienste der Nonne für die Armen in der Welt. Während einige Kommentatoren sie als Vorbild für die Menschheit sehen, hat ihr Lebenswerk für andere Schattenseiten.

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Rzeczpospolita (PL) /

Eine außergewöhnliche Persönlichkeit

Welche Faszination die Heiliggesprochene ausübte, beschreibt Auslandskorrespondent Jerzy Haszczyński in der Zeitung Rzeczpospolita:

„Mutter Teresa war eine der Persönlichkeiten der Kirche, die im 20. Jahrhundert den höchsten Wiedererkennungswert hatten. Eine seriöse deutsche Zeitung hat sie sogar einmal als ersten katholischen Popstar bezeichnet. Darüber hinaus war sie nicht nur den Christen ein Begriff - und zwar besonders, nachdem sie im Jahr 1979 den Friedensnobelpreis erhalten hatte. ... Was für eine außergewöhnliche Persönlichkeit sie war, habe ich während ihres Warschau-Besuchs 1993 beobachtet. So hat sie in einer Kirche Medaillons für Schwerkranke und Invaliden ausgegeben. Dabei begleitete mich ein Fotoreporter, der eigentlich nicht religiös war und der bis dato keine Emotionen gezeigt hatte. Plötzlich sprang er auf, vergaß, seine Fotos zu machen, und zeigte sich ihr ergeben, nur um eins der Medaillons zu ergattern.“

Večernji list (HR) /

Verdienste müssen gewürdigt werden

Die Kritiker der Heiligsprechung erkennen nicht, was Mutter Teresa bewirkt hat, bedauert die Zeitung Večernji list:

„Auch Heilige waren Sünder - angefangen von Petrus, der Jesus drei Mal verleugnet hat. Bei jeder Heiligsprechung oder Verleihung des Friedensnobelpreises gibt es diejenigen, die die Heiligkeit der geehrten Personen anzweifeln. ... Das scheint normal, vor allem wenn es sich um Menschen handelt, die in unseren Zeiten gelebt haben. ... Vor dem Wirken Mutter Teresas lebten die Ärmsten auf der Straße, verstoßen. Niemand wusste um sie, geschweige denn, dass jemand ihnen geholfen hätte. Mutter Teresas Verdienst war es, dass man von diesen Menschen gehört hat. Natürlich waren die Räumlichkeiten, in denen sie sich um diese Menschen gekümmert hat, keine Krankenhäuser der Weltklasse. Aber sie waren auch keine Nazilager wie eine Journalistin im Dokumentarfilm 'Hell's Angels' (1994) des Briten Christopher Hitchens behauptete.“

The Independent (GB) /

Berühmtheit mit Schattenseiten

Mutter Teresa war nicht die Superheilige, als die sie der Vatikan gerne zur Stärkung des eigenen Profils präsentiert, wirft Kolumnist Douglas Robertson im Independent ein:

„Mutter Teresa war eine Berühmtheit mit einer sehr gut gepflegten Marke. Wenn man Menschen über sie befragt, antworten die meisten vage, dass sie 'so ein guter Mensch' war, so mildtätig, aufopferungsvoll und generell wunderbar. ... Indem sie Mutter Teresa auf diese Art und Weise 'ehrt', stellt die katholische Kirche die Langlebigkeit einer Marke sicher, die nicht nur ihr Profil stärkt, sondern sicher auch beträchtliche finanzielle Mittel einbringt. Die Frage lautet: War eine Frau, die Leidensfähigkeit predigte anstatt Leiden zu lindern, und Geld von Diktatoren annahm, wirklich so heilig?“