Die erwachsenen Flüchtlingskinder von Calais

Erwachsene Flüchtlinge, die anscheinend ihre Minderjährigkeit vortäuschten, um vor der Räumung des Lagers im französischen Calais nach Großbritannien reisen zu dürfen, heizen die Debatte an. London hatte zuvor die Aufnahme von bis zu 300 Flüchtlingskindern aus Calais in Aussicht gestellt. Müssen die Behörden scharf kontrollieren, damit echte Kinder den gebührenden Schutz erhalten? Oder ist das eigentliche Verbrechen das Verweigern der Hilfe für Not leidende Erwachsene?

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The Independent (GB) /

Schutzwürdigkeit ist keine Frage des Alters

Flüchtlingen die Hilfe verweigern zu wollen, weil sie ein gewisses Alter überschritten haben, ist zynisch und unmenschlich, schimpft The Independent und schreibt sarkastisch:

„Es ist dringend an der Zeit, dass wir lernen, uns gegenüber allen Hilfsbedürftigen richtig zu verhalten. Wenn wir jemanden sehen, der einen Herzinfarkt erleidet, ist es wichtig, schnell zu prüfen, ob diese Person das nicht vortäuscht, um durch diese List kostenlose Kekse in der Herzklinik zu erhalten. Wenn ein alter Mensch die Stiegen hinunterstürzt, sollten wir in dessen Haus nach Indizien suchen, die auf einen versuchten Versicherungsbetrug hindeuten. Denn wenn wir historisch zurückblicken etwa auf die Hugenotten, die aus Frankreich flohen, oder die Juden, die aus Deutschland flüchteten, dann erinnern wir uns besonders stolz an Jene, die den Mut hatten, folgendes zu sagen: 'Einige von ihnen sind über 18 Jahre alt - schickt sie zurück, die Mistkerle!'“

The Daily Telegraph (GB) /

Ohne Kontrollen kippt die Stimmung im Land

Wenn sich erwachsene Flüchtlinge die Einreise nach Großbritannien erschwindeln können, wird es mit der Hilfsbereitschaft der Briten bald vorbei sein, fürchtet Judith Woods in The Daily Telegraph:

„Letztlich sind wir selbst an all dem schuld und nicht die jungen Männer, die sich klugerweise dazu entschieden, nicht als blinde Passagiere illegal in einem Lkw mitzufahren, sondern ihr Glück über die legale Route nach Großbritannien mit einem Zwischenstopp im Dschungel von Calais zu versuchen. ... Doch wenn wir jetzt keine wirksamen und vernünftigen Kontrollen einführen, könnte die Stimmung im Land kippen und sich gegen all jene Unter-18-Jährigen richten, die unsere Hilfe noch immer dringend brauchen. Ich hoffe, diese Neuankömmlinge werden hart arbeiten, Steuern zahlen und ihren Beitrag leisten. Werden sie kurz an jene ängstlichen, elternlosen Kinder denken, deren legitimen Platz sie eingenommen haben?“

Sydsvenskan (SE) /

Alter von Flüchtlingskindern ärztlich prüfen

Auch in Schweden gibt es immer wieder Unklarheit über das tatsächliche Alter bei Flüchtlingen. Der staatliche medizinisch-ethische Rat empfiehlt deshalb, jungen unbegleiteten Flüchtlingen eine ärztliche Untersuchung anzubieten. Sydsvenskan hält das für eine gute Idee:

„Oft fehlen den Asylbewerbern Dokumente mit Altersnachweis. Deshalb wird mittels Gesprächen und der Einschätzung von Reife und Aussehen entschieden. Dabei besteht sowohl das Risiko, dass man einen Erwachsenen irrtümlicherweise für ein Kind hält, als auch, dass ein Kind für einen Erwachsenen durchgeht. Die Beweislast, wie alt er oder sie ist, liegt beim Asylbewerber. Deshalb ist es mehr als sinnvoll, die Möglichkeit der medizinischen Altersbestimmung anzubieten. ... Ziel muss es sein, das Asylsystem rechtlich sicherer zu machen. Wer Gründe für Asyl hat, soll im Land bleiben dürfen - und nicht unter Verdacht stehen.“