Letzte Schlacht um Aleppo 

Das syrische Regime drängt mit Unterstützung russischer Kampfflugzeuge die Rebellen in Ost-Aleppo weiter zurück, zehntausende Menschen sind auf der Flucht. Der Sieg der Regierungstruppen in der nordsyrischen Stadt könnte einen Wendepunkt im Bürgerkrieg bedeuten. Die Einnahme Aleppos wird Terrorgruppen neuen Zulauf bescheren, prophezeien Kommentatoren und geben US-Präsident Obama eine Mitschuld, dass es soweit kommen konnte.

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Financial Times (GB) /

Assads Triumph macht Islamisten noch stärker

Der militärische Erfolg des syrischen Regimes wird sunnitischen Extremisten und Terroristen neuen Zulauf bescheren, klagt Financial Times:

„Wenn sich das Assad-Regime hält, und sei es nur als Schutzbefohlener Russlands und des Iran, so wird das ein Ansporn für sunnitische Aufständische sein. Diese werden sich weiter radikalisieren - selbst dann, wenn sie nicht gemeinsame Sache mit den IS-Milizen oder al-Qaida machen. ... Zerstörung und Tod in Syrien haben ein solches Ausmaß erreicht, dass viele Syrer wenig oder gar nichts haben, zu dem sie zurückkehren können. Die meisten der rund fünf Millionen Flüchtlinge im Libanon, in der Türkei und in Jordanien haben wenig oder nichts zu verlieren. So wie die Dinge stehen, sehen sich Syrien und die umgebenden Staaten einer schier endlosen Zahl potenzieller terroristischer Rekruten gegenüber. Das Assad-Regime wird in Erinnerung bleiben, weil es verzweifelte und von religiösem Fanatismus befeuerte Extremisten geschaffen hat.“

Milliyet (TR) /

Obama verantwortlich für Fiasko in Syrien

Wenn Aleppo fällt, dann geht das auf Obamas Konto, klagt Milliyet:

„Als der Aufstand des Arabischen Frühlings die Tore von Damaskus erreichte, Assad und seine Partei den Widerstand in kurzer Zeit in ein Blutbad an Sunniten verwandelten und die Nachbarländer dies durch Überzeugung stoppen wollten, schwiegen die USA und blieben gar indifferent. ... Als das syrische Volk begann, sich zum Widerstand zu organisieren, sagte die damalige Außenministerin Clinton ihnen zunächst volle Unterstützung zu. Dann wollte sie diejenigen ernennen, die man unterstützen werde, begann die Opposition nicht zu mögen und unterstützte sie schließlich auf eine Weise, die schlimmer ist als eine Tracht Prügel. ... Wenn Aleppo fällt, werden die meisten der 300.000 Menschen sterben, die dort in letzter Hoffnung Zuflucht suchten. Auf ihrem kollektiven Grabstein wird Obamas Name stehen.“

Aftonbladet (SE) /

Tweets aus dem Bombenhagel

Das siebenjährige Mädchen Bana berichtet auf ihrem Twitter-Account über den Krieg im Osten Aleppos. Die Rolle der sozialen Medien ist mehr als fünf Jahre nach Beginn des Bürgerkriegs in Syrien eine völlig andere, konstatiert Aftonbladet:

„Als der Arabische Frühling 2010 begann, waren die sozialen Medien wichtige Werkzeuge, um Forderungen nach demokratischen Reformen zu unterstützen. Die Protestbewegung fühlte sich an wie der Beginn einer neuen Weltordnung. Aber der Rückschlag war härter, als man es sich hätte vorstellen können. Nun verfolgen wir stattdessen die Entwicklung durch Menschen wie die siebenjährige Bana. In einem ihrer jüngsten Tweets schreibt sie, dass ihre Puppen im Bombenhagel starben. Und die Welt schaut nur zu.“

Forum.tm (HR) /

Aleppo wird gerade befreit

Dass westliche Medien immerzu vom "Fall" Aleppos schreiben, kritisiert der Kolumnist Zlatko Dizdarević in einem vom bosnischen Portal radiosarajevo.ba übernommenen Gastbeitrag auf Forum.tm:

„Warum kommt niemand auf den Gedanken zu erwähnen, dass jetzt mehr als 100.000 Menschen aus dem Osten Aleppos, die nach westlichen Medienberichten angeblich unter Assads Schlächtern litten, in den Westen der Stadt fliehen, der schon seit Beginn des Kriegs unter der Kontrolle Assads steht? ... Geschwiegen wird auch darüber, warum radikale Dschihadisten von der IS-Terrormiliz, der Al-Nusra-Front und andere Schlächter und Terroristen in Syrien zu Partnern und Verbündeten erklärt wurden, die es um jeden Preis [vor Assad] zu schützen gilt. Gleichzeitig läuft in Europa und den USA eine schreckliche Stigmatisierung von Muslimen. Die anti-muslimische Hysterie lässt dabei vollkommen außen vor, dass Muslime die größten Opfer dieser Schlächter sind.“

Yeni Şafak (TR) /

Welt sieht Völkermord tatenlos zu

In Aleppo nutzen Assad und seine Verbündeten die grausamsten Methoden, um die Stadt von der Opposition zurückzuerobern, klagt Yeni Şafak:

„Das [syrische] Regime begeht geradezu einen Völkermord an Zivilisten, um den Wiederstand der Opposition zu brechen. ... Der Plan, Syrien in drei Teile zu teilen, mit einem alawitischen Staat, der im Norden durch Aleppo und im Süden durch Damaskus begrenzt wird und Zugang zum Mittelmeer hat, ist seit zwei Jahren kein Geheimnis mehr. Dieser Plan wird von der internationalen Öffentlichkeit stillschweigend akzeptiert. Die Gleichgültigkeit der Welt gegenüber den Schreien der mit dem Tode ringenden Menschen zwischen barbarischen Bombardements und Zerstörungen in Aleppo kann nicht anders erklärt werden. Sogar Länder, die zu Assad auf Distanz gehen, schweigen gegenüber diesem Massaker, dass dem Regime die Kontrolle über Aleppo sichern soll, weil sie einen Großteil der bewaffneten Opposition als leberfressende Kannibalen abgestempelt haben.“

De Standaard (BE) /

Ende der Marginalisierung Russlands

Mit der Teileroberung von Aleppo geht der syrische Krieg in seine entscheidende Phase und der lachende Sieger ist Putin, klagt De Standaard:

„Das tragische Ergebnis ist nur noch eine Frage der Zeit. Für Europa und den Westen wird das geostrategische Dilemma nur noch aussichtsloser. ... Das syrische Volk wurde Opfer einer zynischen Berechnung. Das Land liegt in Trümmern. Mit Donald Trump wird es noch schwieriger als mit Barack Obama, die USA zum Eingreifen in solche Konflikte zu bewegen. Das Signal an Russland unter Wladimir Putin ist deutlich: Moskau kann erneut nach einem halben Jahrhundert der Marginalisierung seine Flügel und seinen Einfluss ausbreiten. Für Europa ist das eine besorgniserregende Aussicht. Die Welt um uns ist instabiler geworden, mehr als je zuvor seit dem Zweiten Weltkrieg. Wenn bald die Waffen in Syrien schweigen werden, dann ist das kein Grund zur Freude.“