Kritik an Politikern in Litauen wird strafbar 

In Litauen können Politiker künftig vor Gericht ziehen, wenn sie sich von anderen Personen beleidigt sehen. Seit der Unabhängigkeit des Landes galt die Regel, dass Personen des öffentlichen Lebens Kritik und Beleidigungen aushalten müssen, doch nun hat das Parlament das Zivilgesetzbuch entsprechend geändert. Kommentatoren sehen die Presse- und Meinungsfreiheit bedroht und sprechen von einem Déjà-vu aus Sowjetzeiten.

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15min (LT) /

Zurück in die Sowjetunion

Diese Gesetzänderung widerspricht dem in der Verfassung verankerten Recht der Bürger, ihre Regierung und öffentliche Einrichtungen zu kritisieren und erinnert an die Zeit der sowjetischen Diktatur, warnt das Portal 15min:

„Das ging überraschend schnell. Seit dem Amtsantritt der neuen Regierungskoalition ist nicht einmal ein Monat vergangen. Und es ist gerade mal ein Vierteljahrhundert her, dass es den Menschen verboten war, ihre Meinung zu äußern, verschiedene Frisuren zu tragen und sich für bestimmte Sachen zu interessieren. Glawlit [eine der obersten Zensurbehörden in der Sowjetunion] kommt mit der litauischen Trikolore geschmückt zurück. Bald wird es keine Kaugummis, keinen Sex und keine Jeans mehr geben. Und Radio werden wir nur noch in der Küche hören. Bereitet euch vor.“

Delfi (LT) /

Krasser Verstoß gegen EU-Recht

Als einen großen Fehler sieht auch Jurist Gintautas Bartkus die Gesetzesänderung und schreibt auf dem Portal Delfi:

„Öffentliche Personen müssen einen Teil ihrer Privatsphäre opfern und leiden manchmal auch unter ungerechtfertigter Kritik, denn die Meinungsvielfalt ist wichtiger und eine Garantie für die demokratische Entwicklung einer Gesellschaft. ... Man muss auch lernen, damit zu leben, dass ab und zu falsche Informationen verbreitet werden. Meinungsfreiheit braucht eine freie Atmosphäre ohne Einschränkungen. Die Regierung und das Parlament haben das Gesetz korrigiert, ohne auf wichtige internationale Rechtsvorschriften Rücksicht zu nehmen. Und zwar auf: Artikel 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union; Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention und verschiedene Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs.“