Athen liefert türkische Putschisten nicht aus

Mit Empörung hat die türkische Regierung auf die Entscheidung des obersten griechischen Gerichtshofs von vergangener Woche reagiert, acht mutmaßliche türkische Putschisten nicht an Ankara auszuliefern. Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu beschuldigte die Griechen, sie deckten Putschisten. Wie negativ wirkt sich das Urteil auf die türkisch-griechischen Beziehungen aus?

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Milliyet (TR) /

Spannungen in der Ägäis nehmen zu

Der türkische Generalstabschef Hulusi Akar hat am Sonntag mit einem Kanonenboot die unbewohnten und zwischen Athen und Ankara umstrittenen Imia-Inseln, im Türkischen Kardak-Inseln genannt, in der Ägäis umrundet. Diese Provokation hängt direkt mit der Entscheidung des griechischen Gerichts zusammen, glaubt Milliyet:

„Nachdem Ankara seine Position in diesem Streit unmissverständlich klargemacht hatte, hat es Athen noch eine Möglichkeit gegeben, die Sache durch Gerichte zu regeln. Doch anschließend ist man nicht davor zurückgeschreckt, einige Druckmittel zu präsentieren. So war der Besuch vor den Kardak-Inseln von Generalstabschef Akar und einigen Generälen am Sonntag eine Machtdemonstration. Hohe Funktionäre haben nach der Entscheidung gedroht, das bilaterale Rückführabkommen aufzukündigen. Es steht außer Frage, dass sowohl Einschüchterungsversuche als auch Vergeltungsmaßnahmen Schäden für beide Seiten und die gesamte Region zur Folge haben werden.“

Neue Zürcher Zeitung (CH) /

Neue Spannungen sind programmiert

Die Entscheidung kommt Griechenland politisch teuer zu stehen, ist aber absolut richtig, urteilt die Neue Zürcher Zeitung:

„Die Athener Richter mussten ... gegen eine Auslieferung entscheiden, drohte doch auch den acht Militärangehörigen in der Türkei Willkürjustiz. Hätte es dafür noch eines Beweises bedurft, lieferte diesen das türkische Kesseltreiben gegen das Gericht: Unverhüllt drohte Ankara den Griechen mit einer Verschlechterung des bereits angespannten Verhältnisses. Dass dies keine leeren Worte sind, unterstrichen Erdoğans Infragestellung historischer Grenzen, die Zunahme gefährlicher Militärmanöver in der Ägäis und die Drohung, neue Flüchtlingsströme nach Europa zu schicken. ... Griechenlands Realpolitiker hätten wohl gerne auf einen weiteren Krisenherd verzichtet, denn die Reaktion der Türkei auf das Urteil wird zweifellos wütend ausfallen.“

Protagon.gr (GR) /

Athen muss jetzt die Soldaten beschützen

Das Onlineportal Protagon fürchtet um die Sicherheit der Soldaten:

„Die Geheimdienste der Türkei werden bereits eine Aktion begonnen haben, um die acht Offiziere zu entführen oder 'verschwinden' zu lassen. … Der Fall der acht Türken endet nicht an diesem Punkt. Jetzt beginnt ein neues Kapitel. Und wenn die Entscheidung über ihre Auslieferung wichtig war für unsere Demokratie und unsere Rechtskultur, ist ihr Schutz mit unserer nationalen Würde verbunden. Diejenigen, die glaubten, dass die Regierung auf die Auslieferung der Türken drängte, können nun befürchten, dass wir dies durch die Hintertür machen. ... Wie könnte das vonstattengehen? Nun, zuerst durch die gute Zusammenarbeit der Nachrichtendienste, also der griechische Geheimdienst würde die Offiziere 'frei Haus' liefern. Zweitens, indem man beide Augen zudrückt, bis der türkische Geheimdienst ihrer habhaft wird und sie außer Landes bringt.“

Blog Pitsirikos (GR) /

Auf wessen Seite steht Europa?

Mit Blick auf die Entscheidung des höchsten griechischen Gerichts stößt Blogger Pitsirikos der Flüchtlingsdeal der EU mit der Türkei umso saurer auf:

„Dass ein Land, das die Menschenrechte verletzt, gleichzeitig ein sicherer Drittstaat sein soll, ist etwas, was ich persönlich nicht erklären kann. Die Europäische Union hat eine gemeinsame Währung geschaffen, aber die politische Integration vergessen. Sie hat vergessen, eine gemeinsame europäische Identität, eine gemeinsame europäische Armee, gemeinsame europäische Grenzen, ein gemeinsames europäisches Gesetz und dadurch ein gemeinsames europäisches Recht auf Asyl zu schaffen. ... Ich hoffe, dass die Entscheidung des obersten Gerichts durch eine Vereinbarung zwischen Griechenland und anderen europäischen Ländern zustande kam. ... Und ich hoffe, dass die Reaktionen aus der Türkei für den inländischen Gebrauch bestimmt sind.“