Wie gefährlich ist Marine Le Pen?

Marine Le Pen hat sich zum Auftakt ihres Präsidentschaftswahlkampfs für einen EU-Austritt und eine strikte Begrenzung der Einwanderung ausgesprochen. In Umfragen kommt die Kandidatin des rechtsextremen Front National derzeit auf 25 Prozent und liegt damit weiter vorne. Rückenwind verschafft ihr auch die sich ausweitende Affäre um François Fillon. Kommentatoren sehen in Le Pens Höhenflug eine Gefahr für den Zusammenhalt Europas.

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ABC (ES) /

Mischt Putin den französischen Wahlkampf auf?

Auch den französischen Wahlkampf könnte der Kreml entscheidend beeinflussen, glaubt ABC:

„Nach der erwiesenen Einmischung Putins in den US-Wahlkampf besteht kein Zweifel, dass er alles ihm Mögliche tun wird, in Frankreich auf das für ihn positivste Ergebnis hinzuwirken - also den Sieg der rechtspopulistischen Marine Le Pen, deren Verbindungen zum Kreml offensichtlich sind. ... Man muss abwarten, wie sich die Beziehungen zwischen Putin und Trump entwickeln, doch aus europäischer Sicht sieht es nicht gut aus. In diesem merkwürdigen Umfeld weiß man schon gar nicht mehr, ob es sich bei dem Bekanntwerden der zahlreichen Skandale, die den französischen Bürgern den allgemeinen Niedergang der Politik vor Augen führen, um Zufall oder den ersten Akt einer Offensive Putins handelt, um entscheidend auf die Ergebnisse im Mai einzuwirken. Historisch gesehen findet man kaum einen Moment, an dem so viel auf dem Spiel stand - das Überleben der EU inbegriffen.“

Le Monde (FR) /

Le Pen könnte Europa zum Einsturz bringen

Ein Wahlsieg der Front-National-Kandidatin Marine Le Pen wäre eine große Gefahr für Europa, fürchtet Le Monde:

„Wenn nach dem Sieg Donald Trumps und dem Austritt Großbritanniens aus der EU nun auch noch Marine Le Pen zur französischen Präsidentin gewählt wird, wäre das eine verheerender Dreiklang. Dieses dritte Ereignis würde Europa, das auf der deutsch-französischen Versöhnung und der atlantischen Allianz aufgebaut ist, zum Einsturz bringen. ... Wenn Fillon wegen 'Penelope-Gate' und seines als zu hart erachteten Programms stürzt, wird der junge Emmanuel Macron [der liberalen Partei En Marche!] der einzige sein, der noch im Rennen ist, um eine Thronbesteigung der Rechtsextremen zu verhindern.“

De Morgen (BE) /

Der Front National lacht sich ins Fäustchen

Der Front National kann sich keinen besseren Gegenkandidaten als Fillon wünschen, stellt De Morgen zynisch fest:

„François Fillon sollte der anständige Kandidat sein, der den moralischen Standard in der französischen Politik wieder erhöht, der Mann, der die Profiteure des Systems in die Schranken weist. Dieses Image liegt nun in Scherben. Zu Recht wird Fillon für die tiefe Kluft zwischen seinen Worten und den eigenen Taten hart angegangen. ... Man muss nicht allzu viel Mitleid haben mit denjenigen, die die moralische Latte für andere höher legen als für sich selbst. ... Und jetzt ist der 'Bewegungspolitiker' Emmanuel Macron plötzlich die wichtigste Alternative zu einem rechtsextremen Abenteuer der französischen Republik.“

The Independent (GB) /

Le Pen gleicht eher Clinton als Trump

Die Sorge, dass Le Pen, ähnlich wie Trump in den USA, die Wahlen in Frankreich als populistische Newcomerin für sich entscheiden könnte, ist nach Ansicht des Independent unbegründet:

„Sie ist wirklich keine Faschistin, sondern lediglich eine weitere dieser unangenehmen Europäer aus dem rechten Flügel, die ihr politisches Leben damit verbringen, gegen Einwanderung, gegen Europa und gegen Muslime zu wettern. Aber sie wird nicht Präsidentin Frankreichs werden und sie ist nicht Donald Trump. Wenn überhaupt, dann ist sie Frankreichs Hillary Clinton - eine kompetente weibliche Politikerin, die schon seit langer Zeit mit dabei ist und wenig frischen Wind mitbringt, um Wähler jenseits der parteitreuen Riege zu begeistern. ... Sie ist nicht mehr die Neue im Reigen der Präsidentschaftskandidaten. Dieser Titel geht an Emmanuel Macron.“

La Stampa (IT) /

Kohärentes Manifest des neuen Populismus

Europa wäre gut beraten, die Wahlversprechen Le Pens genauestens zu studieren, mahnt La Stampa:

„Es handelt sich um das ausführlichste und kohärenteste Dokument des neuen Populismus. … Die '144 Wahlverpflichtungen' sind nicht eine Reihe von Slogans und Forderungen, sondern der Entwurf eines in sich schlüssigen Programms. … Gerade deshalb verpflichten die Wahlversprechen von Le Pen die demokratischen Parteien - in Frankreich aber auch in Italien -, auf den Boden der Tatsachen und der konkreten Politik zurückzukehren. Es bedarf einer Politik, die die Tendenzen der heutigen globalen Wirtschaft korrigiert, die de facto ohne Regeln ist und die Ungleichheit noch verschärft. Man sollte nicht dem Front National und seinen rechtsextremen Verbündeten in Europa das Monopol der Umverteilungspolitik überlassen. Auf europäischer Ebene muss, wer gegen Le Pen ist, dennoch eingestehen, dass die Zeit für das Europa der Beamten und Vorschriften abgelaufen ist. In keinem europäischen Land werden die kommenden Wahlen ohne neue Programme und Visionen gewonnen werden.“

Irish Independent (IE) /

Das xenophobe Image ist abgeschüttelt

Marine Le Pen und ihre Partei sind ein Beispiel dafür, dass Rechtsextremismus in Europa zunehmend salonfähig wird, beobachtet Irish Independent:

„Marine, wie sie gerne genannt wird, hat hart daran gearbeitet, ihre Partei von dem virulent antisemitischen und xenophoben Image zu befreien, wie es unter der Leitung ihres Vaters noch florierte. Französische Wähler schämen sich mittlerweile nicht mehr, den Front National zu unterstützen. Heißt das nun, dass sich Frankreich Richtung Rechtsextremismus bewegt? Sind Millionen Europäer - die die Dänische Volkspartei, die Freiheitliche Partei Österreichs, die Alternative für Deutschland, die niederländische Partei für die Freiheit und ähnliche Bewegungen unterstützen - allesamt fremdenfeindliche weiße Rassisten? Wohl kaum. Sind all diese Parteien von Rassisten und rechtsextremen Elementen befreit? Sicherlich nicht. Doch ihre Führungsriegen haben eine gähnende Lücke in der europäischen Politik entdeckt, in die sie nun mit viel Erfolg vorstoßen.“

Salzburger Nachrichten (AT) /

Populisten dürfen alle Regeln brechen

Darauf, dass für Marine Le Pen offenbar andere Regeln gelten als für François Fillon, lenken die Salzburger Nachrichten ihr Augenmerk:

„Anders als Fillon, der, wie es scheint, seine gesamte Familie mit gut dotierten Scheinanstellungen auf Kosten der Steuerzahler versorgte, hat Le Pen mutmaßlich mit 300.000 Euro des EU-Parlaments einen Parteimitarbeiter bezahlt. Das ist unstatthaft, weshalb das EU-Parlament diese Summe zurückhaben will. Interessanterweise scheint die Angelegenheit der Kandidatin der äußersten Rechten, im Gegensatz zu Fillon, keineswegs zu schaden. Nicht einmal dann, wenn ihre Sicherheitsleute nachfragende Journalisten aus dem Saal prügeln. ... Weite Teile der einschlägigen Protestwählerschaft erwarten sogar ein solches Verhalten. Hauptsache, es schadet dem verhassten System. Von systemtreuen Politikern der politischen Mitte hingegen erwarten ihre Anhänger absolut systemkonformes Verhalten. Was einer Frau Le Pen recht ist, ist einem Herrn Fillon noch lange nicht billig.“

Politiken (DK) /

Fillon-Affäre stellt ganz Europa vor Problem

Marine Le Pen wird die Affäre um François Fillon schamlos für sich zu nutzen wissen, fürchtet Politiken:

„Die Fillon-Affäre ging über Jahre hinweg, ohne dass jemand die Augenbrauen hochgezogen hätte. Schätzungsweise haben offenbar mindestens 20 Prozent der französischen Abgeordneten Familienangehörige als Angestellte. … Die Chefin des nationalistischen Front National, Marine le Pen, wird die Fillon-Affäre maximal ausnutzen. Je länger dieser an seinen politischen Ambitionen festhält, desto mehr kann sie das tun. Als Führerin einer Partei, die sie von ihrem Vater geerbt hat, ist sie selbst Teil einer Elite und einer Vetternwirtschaft, aber diese Art von trivialen Selbstwidersprüchen hat Europas Nationalisten noch nie gekümmert. Und im schlimmsten Fall sind sie auch den Wählern egal, die einfach genug haben von der herrschenden politischen Klasse. Damit kann die Fillon-Affäre zu einem europäischen Problem werden.“