Merkel-Lager demonstriert Einigkeit

Mit demonstrativer Einigkeit haben sich CDU und CSU hinter Angela Merkel als Kanzlerkandidatin gestellt. Zuvor hatte die CSU monatelang die Flüchtlingspolitik von Merkel torpediert. Die Unionsparteien sehen sich durch Martin Schulz unversehens in die Defensive gedrängt, beobachten Kommentatoren und glauben, dass dies dem Bundestagswahlkampf gut tun wird.

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Český rozhlas (CZ) /

Kanzlerin droht schwierigste Wahl ihrer Karriere

Der Höhenflug der SPD in den Umfragen hat die Spitzen von CDU und CSU aufgeschreckt und zum Zusammenarbeiten verdammt, kommentiert der Hörfunksender Český rozhlas das Treffen der Unionsparteien am Montag:

„Angela Merkel beschwor die Gemeinsamkeiten beider Parteien. Und auch [der CSU-Vorsitzende] Horst Seehofer unterstrich, dass es immer verschiedene Auffassungen gab, die aber die Einigkeit nicht stören würden. ... Nach dem Aufstieg von Schulz in der SPD scheint dennoch das über Jahre Unmögliche möglich zu sein. Auf seinen Veranstaltungen wird Schulz mit Dankbarkeit empfangen und immer wieder von Jubel unterbrochen, wenn er die Parole von der Wiederherstellung sozialer Gerechtigkeit anstimmt. Diese neu entstandene Situation zwingt Angela Merkel in die Defensive. Es wird nicht mehr reichen, den Wählern Dinge zu sagen wie 'Sie kennen mich ja' oder 'Wir schaffen das'. Merkel muss die schwerste Wahl ihrer Karriere befürchten.“

Kurier (AT) /

Endlich ist Schluss mit der Schlafwagen-Politik

Martin Schulz könnte dafür sorgen, dass der Wahlkampf in Deutschland überraschend inhaltsreich wird, freut sich der Kurier:

„Dass Schulz mit den als fad geltenden Themen Gerechtigkeit und Lohngleichheit derart fulminanten Zuspruch erntet, ist ... ein Denkanstoß. Seine ehrlich wirkende Konzentration auf Themen, die den Wähler existenziell beschäftigen, dürfte mit ein Grund für seinen Erfolg sein - und sie stürzt Merkel in ein Dilemma: Sie muss sich nun der ewig aufgeschobenen Frage der Orientierung ihrer Partei stellen. Richtet sie sich im Wahlkampf an jene urbanen, liberalen Wähler, die sie seit ihrem Schwenk 2015 hinzugewonnen hat - und die ihr Schulz nun wieder abzujagen droht? Oder rückt sie mit Seehofer nach rechts? Ganz egal, wohin sie geht - ihr und dem Wahlkampf tut Wirbelwind Schulz mehr als gut. Weg von der Schlafwagen-Politik, die Merkel lang als alternativlos erscheinen ließ, weg von den dumpfen Gefühligkeiten der AfD, die den Diskurs zuletzt zu vergiften drohten, hin zu einem Wahlkampf mit kalkulierbaren Inhalten. Das wäre eine echte Alternative für Deutschland.“

Frankfurter Allgemeine Zeitung (DE) /

Gefühliger Schulz, stabile Merkel

Auf welche Bedürfnisse der Wähler Martin Schulz und Angela Merkel jeweils abzielen, erklärt die Frankfurter Allgemeine Zeitung:

„[Schulz] zielt aufs Gemüt, nicht auf den Verstand. Das muss in diesen hoch emotionalisierten Zeiten nicht der schlechteste Plan sein. Die Union dagegen könnte einen Adenauer-Slogan von 1957 plakatieren: Keine Experimente! Merkel und ihr Lager setzen darauf, dass die Deutschen in einer Welt im Umbruch wenigstens zu Hause Ruhe und Stabilität haben wollen. ... Merkel beging in der Flüchtlingskrise Fehler, die gravierende Folgen für Deutschland und die EU hatten. Ihre Macht litt darunter. Doch ist die Kanzlerin die letzte starke Figur in der EU, die sich gegen den Zerfall stemmen will. Führung und Einigkeit tun in jedem Fall not. Zwischen Trump und Putin wird es für alle Europäer ungemütlich werden.“