Ist Fillon als Kandidat noch tragbar?

Der konservative Präsidentschaftskandidat François Fillon hat am Mittwoch verkündet, dass er sich nicht aus dem Wahlkampf zurückzieht, obwohl ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet wird. Dabei geht es um die mutmaßliche Scheinbeschäftigung seiner Frau. Fillon warf der französischen Justiz vor, eine Kampagne gegen ihn zu führen. Damit disqualifiziert er sich als Kandidat, schimpfen einige Journalisten. Andere loben, dass er sich dem Urteil der Wähler nicht entzieht.

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Le Soir (BE) /

Fillon gefährdet die Demokratie

Auf seiner Pressekonferenz hat Fillon betont, dass kein juristisches Verfahren, sondern nur das Volk entscheiden könne, wer der nächste Staatspräsident wird. Mit diesem Appell stellt er sich auf eine Stufe mit Le Pen, urteilt Le Soir:

„François Fillon hat das Volk dazu aufgerufen, Recht zu sprechen. Das macht ihn nunmehr zu einem Mann, der die Demokratie gefährdet. Und zwar vor allem deshalb, weil dieser Politiker den Rechtsstaat beleidigt hat, indem er sich über Gesetze hinwegsetzt und die Unabhängigkeit der französischen Justiz in Frage stellt, nur weil es um sein eigenes Schicksal geht. Der Kandidat Fillon hat sich im Rennen um die Präsidentschaft disqualifiziert: Jemand, der das Volk dazu aufruft, selbst Recht zu sprechen, kann kein Präsident einer demokratischen Republik sein und die Rechte des Volks repräsentieren. ... Grundsätzlich zeigen François Fillon und Marine Le Pen, welche ebenfalls nicht gesetzeskonformer Praktiken beschuldigt wird, die gleiche Reaktion: Komplott-Theorie, Infragestellung von Richtern und Journalisten, schwerwiegende Vorwürfe über das Funktionieren der Institutionen.“

Le Figaro (FR) /

Unzulässiger Gewaltakt der Richter

Le Figaro folgt dagegen Fillons Auffassung, dass der Wille des Volkes mächtiger sein sollte, als die Justiz:

„Er hat Recht. Den Aufforderungen nach einem juristisch bewirkten Abtritt zu folgen, hätte bedeutet, sowohl eine Rechtsverweigerung als auch eine Demokratieverweigerung gutzuheißen. ... Es bleiben nunmehr zwei Optionen. Entweder François Fillon wird bei der Präsidentschaftswahl besiegt und die Justiz wird in zwei Monaten ihre Arbeit fortsetzen; oder er wird gewählt und die Franzosen haben durch ihre Stimmabgabe klar gemacht, dass das moralische Vergehen, das er gestanden hat, in ihren Augen weniger Gewicht hat als die Vorstellung, die sie sich von dem Interesse des Landes machen. Das juristische Verfahren wird dann für die Dauer seines Mandats ausgesetzt, das souveräne Volk wird sich aber dafür ausgesprochen haben. Kein Gewaltakt der Richter kann ihm dieses Recht nehmen.“

The Independent (GB) /

Geschenk für Marine Le Pen

Dass François Fillon an seiner Kandidatur festhält, stärkt die Wahlchancen der Chefin des Front National erheblich, weil es das Bild bestätigt, dass sie von der französischen Elite gezeichnet hat, klagt The Independent:

„Fillon ist wegen der Vorwürfe bereits jetzt ständig abgelenkt und befindet sich unter großem Druck von Seiten der Medien. Das wird bis zum ersten Wahlgang am 23. April so bleiben - und entsprechend länger, falls er in die Stichwahl am 7. Mai kommt. In dieser würde er mit großer Sicherheit Marine Le Pen vom Front National gegenüberstehen. Sie wird aus diesem überraschenden politischen Gewinn das Meiste herausholen. Wenn sie sich ein Symbol für den Verfall der französischen politischen Elite gewünscht hätte, dann hätte sie sich wohl kein anschaulicheres ausdenken können als Ex-Regierungschef und Berufspolitiker François Fillon.“