(© picture-alliance/dpa)

  Referendum zum Präsidialsystem

  8 Debatten

Nach dem hauchdünnen Sieg von Präsident Erdoğan im Referendum zur Einführung eines Präsidialsystems gehen die Menschen weiter in mehreren türkischen Städten auf die Straße und protestieren gegen Wahlbetrug. Oppositionsparteien hatten vergangene Woche eine Annulierung der Abstimmung gefordert, die von der Wahlkommission abgelehnt wurde. Die Unzufriedenen müssen sich nun zu einer Opposition vereinen, fordern Kommentatoren.

Die EU steht nach dem Ja zur Verfassungsänderung in der Türkei vor der Frage, wie sie ihre Beziehungen zu dem Land gestalten soll, das offiziell noch den Status eines Beitrittskandidaten hat. Einige Kommentatoren mahnen zu äußerster Vorsicht gegenüber einem Land am Rande des Nervenzusammenbruchs. Andere erklären hingegen, dass die Türkei selbst in der Nato nichts mehr verloren hat.

Im europäischen Ausland hat das von Erdoğan angestrebte Präsidialsystem deutlich mehr Zustimmung erfahren als in der Türkei selbst. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu stimmten fast 60 Prozent der Wahlberechtigten mit Ja. Was sagt dieses Ergebnis über die Integration der Auslandstürken in Europa aus und welche Schlüsse sollte man daraus ziehen?

In einem Referendum am 16. April entscheiden die Türken über die Einführung eines Präsidialsystems, das die Machtbefugnisse von Präsident Erdoğan ausweiten soll. Gegner und Befürworter der Verfassungsreform liegen in Umfragen gleichauf. Kommentatoren kritisieren ungleiche Wahlkampfbedingungen und finden, dass Erdoğan nur verlieren kann.

Bis zum Verfassungsreferendum Mitte April sollen laut türkischer Regierungspartei AKP keine Wahlkampfauftritte in Deutschland mehr stattfinden. Erdoğan hatte Deutschland zuvor Nazi-Methoden vorgeworfen, die Niederlande hatten die Reden von türkischen Minister verhindert. Ist der Riss zwischen der EU und Ankara noch zu kitten?

Nachdem der türkische Präsident Kanzlerin Merkel Nazimethoden vorgeworfen hat, hat diese ihre Zurückhaltung im Streit um Wahlkampfauftritte von AKP-Politikern aufgegeben. Merkel sagte, man werde nicht zulassen, dass jedes Tabu falle und drohte indirekt mit Auftrittsverboten für Deutschland. Für deutsche Journalisten geht sie damit noch nicht weit genug. Türkische Kollegen fragen sich hingegen, ob Berlin eine versteckte Agenda verfolgt.

Im Streit über abgesagte Auftritte türkischer Politiker in Deutschland hat Erdoğan deutschen Behörden Nazi-Praktiken vorgeworfen. Einige Journalisten kritisieren Erdoğans Provokationen scharf und sehen jedes Maß überschritten. Regierungsnahe türkische Medien ärgern sich und glauben, dass in Deutschland Aufritte von AKP-Politikern mit fadenscheinigen Begründungen verhindert werden.

In der Türkei läuft der Wahlkampf für das Referendum am 16. April. Mitte Januar hatte das Parlament den Weg frei gemacht für eine Abstimmung über die Verfassungsänderung hin zu einem Präsidialsystem. Mit den Stimmen der rechtsextremen MHP erzielte die regierende AKP die erforderliche Mehrheit, um eine Volksabstimmung darüber einzuberufen. Was würde das Präsidialsystem für die Türkei bedeuten?