Was steckt hinter Macrons Premier-Wahl?

Frankreichs neuer Präsident Macron hat am Montag Edouard Philippe zum Premier ernannt. Der bisher wenig bekannte Bürgermeister von Le Havre ist zwar Mitglied der konservativen Republikaner, besuchte aber wie Macron die Kaderschmiede der französischen Politelite ENA und soll dem Präsidenten intellektuell nahestehen. Kommentatoren nehmen die Personalie kritisch unter die Lupe.

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taz, die tageszeitung (DE) /

Seine wahren Absichten sind machiavellistisch

Die Ernennung von Edouard Philippe zum Regierungschef ist eine strategisch kluge Entscheidung, analysiert die taz:

„Mit ihm will der neue Präsident, der bereits zahlreiche Exsozialisten zu seinen Mitarbeitern zählt, eine Brücke zur Rechten schlagen. Doch Macrons wahre Absichten sind machiavellistisch: Denn zugleich möchte er mit diesem sehr wahltaktischen Schachzug die zukünftige Opposition von rechts spalten und seine Chancen auf eine breite Mehrheit bei den Parlamentswahlen am 11. und 18. Juni vergrößern. Werden die bürgerlichen Wähler dann für Republikaner oder die neue Bewegung des Präsidenten und seines Premiers stimmen? Es wird sich in den nächsten Tagen zeigen, ob mit Edouard Philippe nicht ein ganzer Teil der bürgerlichen Mitte und der Rechten abbricht und zu Macron überläuft. Nicht zuletzt erlaubt ihm diese Nominierung zu belegen, dass er kein Erbe von Hollande sei.“

Libération (FR) /

Politik der Mitte wird alternativlos

Macrons Streben nach einer starken Politik der Mitte beäugt Libération skeptisch:

„Der neue Präsident setzt auf eine Konfiguration, die die IV. Republik [1946-1958] prägte: Er will eine dritte Kraft etablieren, die gegenüber zwei Oppositionslagern ohne Nuancen regiert - damals Gaullisten und Kommunisten, heute extreme Rechte und radikale Linke. Diejenigen, die dem Programm Emmanuel Macrons ohne Umschweife zustimmen, werden darin selbstverständlich nur Vorteile sehen. Die anderen werden weniger begeistert sein und könnten sich dazu gezwungen sehen, zwischen einem sie nicht überzeugenden Zentrum und den Extremen, die sie ablehnen, entscheiden zu müssen. Darin liegt die Schwäche dieser Konstruktion. Müssen wir mitansehen, wie jegliche Regierungsalternative zu einem nach Hegemonie strebenden Zentrum verschwindet?“