Mordprozess gegen Schlepper beginnt in Ungarn

Knapp zwei Jahre nach dem Fund von 71 erstickten Flüchtlingen in einem Lastwagen in Österreich hat im ungarischen Kecskemét der Prozess gegen elf mutmaßliche Schleuser begonnen. Europas Presse zeigt sich betroffen, dass die Politik bis heute wenig aus der Tragödie gelernt hat und den grausamen Machenschaften der Schleuser keinen Einhalt gebietet.

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Kurier (AT) /

Prozess zeigt Unfähigkeit Europas

Obwohl die europäische Politik seit damals dazugelernt haben sollte, gibt sie in der Flüchtlingskrise noch immer ein jämmerliches Bild ab, findet der Kurier:

„Es gilt bereits als historische Tatsache, dass ohne diese Flüchtlingstragödie manche politischen Entscheidungen anders ausgefallen wären. Der Tod der 71 hätte sogar vermieden werden können. Ungarische Ermittler hatten die Telefone der Schleuserbande schon einige Zeit vor der Tragödie abgehört. ... Es ist ebenso Tatsache, dass Europa damals unfähig war, auf die Flüchtlingswelle rasch zu reagieren. Und wie steht’s um die Mittelmeerroute, wo jedes Jahr Tausende sterben? Auch hier gibt es viele Ankündigungen, aber wenige herzeigbare Ergebnisse. ... Die EU ist gerade auf dem besten Weg, den nächsten Fehler zu begehen.“

Tages-Anzeiger (CH) /

Hohe Strafen werden nicht abschrecken

Auch der Tages-Anzeiger glaubt nicht, dass der Prozess viel ändern kann:

„Eines kann der Prozess im ungarischen Kecskemét sicher nicht: andere Schlepper davon abhalten, ihrem menschenverachtenden Geschäft mit den Flüchtlingen nachzugehen. Auch dann nicht, wenn die Angeklagten für schuldig befunden werden und die Höchststrafe erhalten. Hohe Strafen schrecken genauso wenig ab wie hohe Zäune. … Effektiv bekämpfen liesse sich das Schmugglerunwesen nur durch die Möglichkeit für Flüchtlinge, legal um Asyl anzusuchen. ... Das Botschaftsasyl wurde jedoch abgeschafft, und heute sind wir wieder dort, wo wir im August 2015 waren, bevor die 71 Toten im Lastwagen entdeckt wurden. Menschen zahlen Schlepper, und Menschen sterben auf der Flucht. Nur: Solange sie im Mittelmeer ertrinken und nicht auf einer mitteleuropäischen Autobahn ersticken, sieht Europa ungerührt zu.“