Finaler Kampf gegen IS-Miliz in Nahost?

Die IS-Miliz steht in ihren Hochburgen, dem irakischen Mossul und dem syrischen Rakka, kurz vor der Niederlage. Doch was kommt nach dem militärischen Sieg gegen die Islamisten? Ist Frieden überhaupt in Sicht?

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Asharq Al-Awsat (SA) /

Kurden dürfen Rakka nicht übernehmen

Es sei problematisch, dass die syrisch-kurdische PYD nun versuchen werde, die Stadt unter ihre Kontrolle zu bringen, schreibt Fayez Sarah, Berater des Vorsitzenden der Syrischen Nationalen Koalition, in der Tageszeitung Asharq Al-Awsat:

„Die PYD hat sich mit ihrer bisherigen Politik diskreditiert. Sie diskriminiert die Araber in der kurdischen Region und soll enge Kontakte zum syrischen Regime und dem Iran unterhalten. ... Eine realistische Alternative wäre die Bildung eines Rats, der die verschiedenen politischen Kräfte umfasst, die vor der Besetzung durch den IS aktiv waren - allesamt demokratische und nationale Kräfte, die an den gewaltlosen Protesten gegen das Assad-Regime beteiligt waren. Ob diese Option eine Chance hat, wird sich bald zeigen. Noch ist es unvorstellbar, dass das normale Leben in die Stadt zurückkehrt.“

Neue Zürcher Zeitung (CH) /

Das Kalifat ist am Ende, der IS nicht

Die IS-Miliz wird als Terrororganisation überleben, erwartet die Neue Zürcher Zeitung:

„Es zeugt von grosser Ignoranz, wenn Politiker und Militärs heute wieder versprechen, den IS ein für alle Mal vernichten zu wollen. Denn natürlich war es von Anfang an möglich, den Islamischen Staat wie jede territoriale Organisation militärisch zu schlagen; genau diese Entwicklung sagten dem IS die meisten Beobachter auch voraus. Von viel längerer Überlebensdauer aber dürfte dessen Wesen als Terrororganisation sein. Die Ideologie der Extremisten ist nicht aus der Welt, ebenso wenig die Gründe ihrer Anziehungskraft. Mit Selbstmordanschlägen und anderen blutigen Aktionen werden wir noch auf unbestimmte Zeit rechnen müssen.“

Helsingin Sanomat (FI) /

Terror muss auch in Asien besiegt werden

Das philippinische Militär kämpft seit mehreren Wochen gegen IS-Terroristen, die sich in der Stadt Marawi verschanzt haben. Dieses Schlachtfeld darf Europa nicht aus dem Blick verlieren, mahnt Helsingin Sanomat:

„Die Existenz des IS [auf den Philippinen] ist an sich keine Überraschung. Neue Gefahren sind die zentralere Führung und eine Ausbreitung in die Nachbarländer. … Bedeutendstes und wahrscheinlich attraktivstes Ziel der Terroristen ist Indonesien, wo sich die größte und traditionell sehr moderate muslimische Gemeinschaft befindet. Südostasien lockt den IS schon allein wegen seiner Größe. Es reicht nicht, den IS im Nahen Osten und in Europa zu schlagen, sondern er muss auch südlich der Sahara und in weiten Teilen Asiens besiegt werden.“

Delo (SI) /

Nun betreten die großen Player die Bühne

Der Stellvertreterkrieg in Syrien geht nun in eine neue Runde, erklärt Delo:

„Der Kampf gegen das Kalifat, der in Syrien und im Irak bisher unter dem Deckmantel des 'gemeinsamen Kampfs gegen die Gräueltaten der Dschihadisten' lief, geht mit dem Fall der Städte Mossul und Rakka zu Ende. ... Nun beginnt unter neuem Deckmantel der Kampf um 'die Zukunft Syriens', ein viel offenerer Krieg um Einflusszonen. ... Schon morgen werden aufgrund von Donald Trumps unüberlegtem Schimpfen auf Teheran und der Bewaffnung Riads die beiden regionalen Rivalen Iran und Saudi-Arabien, die jeweils eine der Großmächte als Verbündeten haben, ihre Samthandschuhe ablegen. Die Auftritte der lokalen Bands sind im Syrienkrieg offensichtlich vorbei, nun kommen die Big Bands auf die Bühne.“

NRC (NL) /

Nach Hass kommt Humanismus

Die Sprengung der Moschee ist für NRC Handelsblad ein Wendepunkt:

„Die Anschläge vom 11. September 2001 waren eine Abrechnung mit dem allzu schönen Traum von der globalen Einheit, mit der Erzählung eines neoliberalen Himmels auf Erden. ... Jetzt aber zeichnet sich [für die Dschihadisten] ein Wendepunkt ab: Durch die Einsicht, dass all die Rhetorik von einem einzigartigen Schicksal und Traum vom reinen Leben gemäß dem Willen Gottes die Menschheit nicht viel weiter bringt. ... Die Realität ist zu widerspenstig. Der Humanismus des 20. Jahrhunderts mit den großen Männern wie Gandhi, King und Mandela lag jahrelang auf der Müllhalde der Geschichte. ... Doch jetzt, nachdem der 'Realismus' der Zeit nach 2001 zu so viel hasserfüllter Identitätsrhetorik und Untergangsfantasien geführt hat, kann eine Renaissance der humanistischen Gedankenwelt nicht ausbleiben.“