Mossul: Befreit aber nicht befriedet

Obwohl in einigen Teilen Mossuls noch gekämpft wird, hat die irakische Führung die Stadt als befreit erklärt. Doch was folgt auf drei Jahre Terrorherrschaft der IS-Miliz? Kommentatoren fürchten, dass wahrer Friede in weiter Ferne liegt.

Alle Zitate öffnen/schließen
Frankfurter Allgemeine Zeitung (DE) /

IS definiert sich als Marke

Die territorialen Verluste bedeuten nicht, dass auch der globale Terror der IS-Miliz aufhört, warnt die Frankfurter Allgemeine Zeitung:

„Im Gegenteil. Drastisch wie seit langem nicht haben die Dschihadisten zuletzt ihre Fähigkeit bewiesen, Anschläge jenseits Syriens und des Iraks zu verüben. Allein im Fastenmonat Ramadan - aus Sicht des IS eine besonders 'verdienstvolle Zeit' fürs Morden - wurden verheerende Anschläge unter anderem in Ägypten, auf den Philippinen, in Großbritannien, Afghanistan und Iran verübt. Um die Schwäche in seinem Herrschaftsgebiet zu kaschieren, definiert der IS sich verstärkt als Marke. Somit wird auch das Jahr 2017 als 'ruhmreich' gefeiert werden, Kalifat hin oder her.“

Habertürk (TR) /

Untergetauchte IS-Krieger werden weiterkämpfen

Auch Habertürk sieht die IS-Miliz noch lange nicht besiegt:

„Der IS wird als Idee, Sache, treibende Ideologie und Anziehungspunkt weiterexistieren. Solange die Legitimations- und Führungskonflikte der Staaten im Nahen Osten nicht überwunden werden, enden auch Chaos, Gewalt, Feindschaften und die rapide Zerstörung der Zukunft nicht. Mit der Rückeroberung Mossuls sind offensichtlich viele IS-Kämpfer untergetaucht. Es besteht die Möglichkeit, dass sie sich unter anderen Namen neu formieren in den Reihen irakischer Sunniten, die sich noch immer benachteiligt fühlen. Oder die Krieger werden sich anderen sunnitischen Gruppierungen anschließen und ihre Aktionen im Irak oder in Syrien fortführen.“

Lidové noviny (CZ) /

Das Stalingrad der IS-Miliz?

Der lange Kampf um Mossul erinnert Lidové noviny an die Schlacht um Stalingrad:

„Jene Schlacht war nicht die erste und nicht die letzte des Zweiten Weltkrieges, aber sie hatte symbolischen Charakter. Der Krieg wurde später in die Zeit vor und nach Stalingrad eingeteilt. Das könnte auch für Mossul gelten. Aber die Euphorie fehlt und das Medienecho ist schwach. In Europa vermutlich, weil man nun die Rückkehr von gefährlichen IS-Kämpfern fürchtet. Dafür zeigt das Fernsehen nun Bilder von Menschen in Mossul, die nach drei Jahren wieder friedlich Karten spielen oder Wasserpfeife rauchen. Diese Pfeifen wirken wie Freiheitspfeifen. Bis zu den Friedenspfeifen ist es aber noch ein weiter Weg.“

al-Akhbar (LB) /

Intellektuelle Befreiung steht noch aus

Neben den Aufbauarbeiten sollte die irakische Regierung sich dringend auch um Kultur und Bildung in der Region Mossul kümmern, schreibt der libanesische Akademiker Ali Mazid in Al-Akhbar:

„Die staatlichen Bildungsinstitutionen sollten sich schleunigst um die Integration der jungen Generation aus Mossul bemühen. Sie sollten Psychologen und Pädagogen zur Verfügung stellen, damit die Kinder und Jugendlichen wieder lernen zu vertrauen, andere zu respektieren und in Frieden zu leben. ... Die militärische Niederlage der IS-Miliz hat hohen symbolischen Wert. Aber sie kann erst als geglückt bezeichnet werden, wenn auch eine kulturelle und intellektuelle Befreiung stattfindet. Das sollte schnell passieren. Durch jede Verzögerung könnten Extremismus und Gewalt weiter gedeihen.“

Süddeutsche Zeitung (DE) /

Europäer müssen sich engagieren

Anders als bei Obama ist nicht erkennbar, dass Trump ein Interesse am mühsamen Wiederaufbau des Irak entwickelt, klagt die Süddeutsche Zeitung:

„Zwar ist Obamas Sondergesandter Brett McGurk noch immer im Amt. Wie viel er ohne das politische Gewicht des Weißen Hauses und mit einem systematisch geschwächten Außenministerium bewirken kann, ist indes fraglich. Für den Irak bedeutet das nichts Gutes. Ein neuer Bürgerkrieg gehört zu den denkbaren Szenarien. Die Regionalmächte, vor allem Iran und die Türkei, sehen das Vakuum als Freibrief, ihre Interessen durchzusetzen. Die Europäer müssen sich hier dringend stärker engagieren - schon in ihrem eigenen Interesse. Flüchtlinge werden weiter versuchen, ihren Weg nach Europa zu finden, wenn sich die Lage nicht stabilisiert. Und IS-Terroristen werden sich neue Ziele suchen.“