Kehrt mit Kelly Ordnung ins Weiße Haus ein?

Der ehemalige General John Kelly ist neuer Stabschef im Weißen Haus. Er gilt als jemand, der klare Strukturen schätzt, den Mächtigen offen seine Meinung sagt und im Weißen Haus für Stabilität sorgen könnte. Während einige Kommentatoren ihm tatsächlich einen Neuanfang zutrauen, haben andere da ihre Zweifel.

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De Standaard (BE) /

Nicht der Zeitpunkt für Schadenfreude

General John Kelly könnte der richtige für einen Neubeginn im Weißen Haus sein, meint De Standaard:

„Bereits die Rückkehr zu einer Form von Normalität wäre ein Erfolg. Höchste Priorität ist, zu verhindern, dass der Trümmerkurs des Präsidenten politische Führer in Russland, China, Iran oder Nordkorea zu gefährlichen Abenteuern verleitet. Die Welt ist ein unruhiger Ort. Sie braucht Stabilität und Berechenbarkeit im Verhältnis der großen Spieler. ... Vielleicht kündigt die Ernennung von Kelly einen Neustart an. Für Trumps Anhänger ist sie aber wohl nur die Bestätigung dafür, dass Deep State - die dunklen, jede Wahl überlebenden Kräfte - am Ende immer siegen. ... Es ist sehr verführerisch, den beschämenden Verfall von Trump mit Schadenfreude zu betrachten. Aber es ist nicht die richtige Zeit für Schadenfreude.“

Spiegel Online (DE) /

Hat der Stabschef Erfolg, wird es ernst

Wenn es dem neuen Stabschef tatsächlich gelingt, Ordnung ins Weiße Haus zu bringen, ist das nicht zwingend eine gute Nachricht, fürchtet Spiegel Online:

„Bisher nämlich hat Donald Trump kein einziges seiner furchtbaren Wahlversprechen einlösen können, mit jedem seiner Vorhaben ist er gescheitert - auch, weil alle dahingehenden Versuche stümperhaft waren. Die Regierung Trump ist zwar abstoßend vulgär, xenophob, nationalistisch und rückwärtsgewandt - da sie sich aber kaum einmal durchsetzen konnte, blieb sie dabei jedoch relativ harmlos. Die Welt, im November geschockt von Trumps Wahlsieg, konnte aufatmen. Der Angst folgte die Erkenntnis: Der kriegt ja gar nichts gebacken. Das könnte sich demnächst ändern. Und das wäre gar nicht lustig.“

Il Sole 24 Ore (IT) /

Kellys größtes Problem ist Trump

Dass Trump schnell seine Meinung ändert, könnte auch Kelly zum Verhängnis werden, kommentiert Il Sole 24 Ore:

„Das Weiße Haus hat klargestellt, dass Trump auch unter Kellys Kommando das letzte Wort behalten wird, sowohl was die neue Aufgabenverteilung angeht als auch in Bezug auf die Kommunikation. ... Gleichzeitig mahnt die jüngere Vergangenheit im Verhältnis Kelly-Trump zur Vorsicht. Denn sie offenbart potentiellen Konfliktstoff - trotz Trumps erklärter Bewunderung für den als 'Stern der Regierung' bezeichneten General. Es sickerte durch, dass Kelly die fristlose Kündigung von FBI-Chef James Comey nur schwer geschluckt hat. Sein Unmut war so groß, dass er drastische Schritte in Erwägung zog. Er telefonierte mit Comey, um ihm seine Solidarität zu bekunden und teilte ihm vertraulich mit, dass er daran denke, zurückzutreten.“

Daily Sabah (TR) /

Das Washingtoner Chaos wird ausgenutzt

Daily Sabah betont die andauernde Unbeständigkeit des Präsidenten und fürchtet, dass sie dem internationalen System großen Schaden zufügt:

„Das Problem ist: Seit Trump Präsident wurde, konnte kein Land zu irgendetwas eine solide Position einnehmen. Jeder wartete ab, um zu verstehen, welchen Schritt die Trump-Administration tut. Wenngleich schon einige Länder angefangen haben, im Alleingang zu handeln, weil sie davon ausgehen, dass sie durch die Ungewissheit und die Abwesenheit der USA ihre nationalen Strategien verwirklichen können. Dadurch wird jedoch das internationale System noch instabiler, weil alle ihre Eigeninteressen nach Belieben und auf kurze Sicht maximieren wollen.“