Tschechien: Populisten auf dem Vormarsch

Die Tschechen wählen am heutigen Freitag und am Samstag ein neues Parlament. In Umfragen führt die Partei Ano des milliardenschweren Medienunternehmers Andrej Babiš. Kommentatoren beschäftigen sich mit dem Aufstieg des umstrittenen Politikers und verweisen auf die Besonderheiten dieser Wahl.

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Hospodářské noviny (CZ) /

Erfolgreiche Anti-System-Parteien

Die Parlamentswahl in Tschechien ist in diesem Jahr in mehrfacher Hinsicht besonders, notiert Chefkommentator Petr Honzejk in Hospodářské noviny:

„Richtig ist, zumindest von einer Wende-Wahl zu sprechen. Erstmals in der Geschichte unseres Landes dürfte jemand anderes gewinnen als eine Partei aus dem rechten oder linken Spektrum. Die Mehrheit wird erstmals eine Partei bekommen (Ano von Andrej Babiš), die sich in diesem oder jenem von der bislang funktionierenden liberalen Demokratie distanziert. Und zum ersten Mal droht zudem, dass eine offen fremdenfeindliche, extremistische Formation (von Tomio Okamura) auf mehr als zehn Prozent der Stimmen kommen könnte. Die tschechische Demokratie wird damit zwar nicht direkt in ihrer Existenz bedroht, aber sie gerät zweifellos an einen kritischen Punkt.“

Mladá fronta dnes (CZ) /

Tschechische Demokratie nicht in Gefahr

In der zum Babiš-Konzern gehörenden Mladá fronta dnes warnt Chefredakteur Jaroslav Plesl vor Weltuntergangsstimmung nach einem Sieg des Medienunternehmers:

„Es ist zu erwarten, dass es schon am Sonntag auf dem Prager Wenzelsplatz erste Demonstranten geben wird, die mit Bildern von Ex-Präsident Václav Havel in der Hand gegen das Wahlergebnis protestieren. Niemand von denen wird sich dessen bewusst sein, dass die lauteste Forderung im November 1989 auf eben diesem Platz die nach freien Wahlen war. Nach freien Wahlen, die wir haben, die wir aber in Wahrheit nicht wertschätzen, wenn wir nicht in der Lage sind, ihre Ergebnisse zu respektieren. ... Spätestens in vier Jahren wird es die nächste Wahl geben, die ganz anders ausfallen kann. Das ist der schönste Zauber der Demokratie.“

Contributors (RO) /

Partei des Medienmoguls passt zum Trend

Die in Umfragen deutlich führende Partei von Andrej Babiš liegt im europäischen Trend, analysiert Contributors:

„Die Wahl in Tschechien bringt höchstwahrscheinlich einen neuen Star auf die Bühne der europäischen Politik: den Medienmogul Andrej Babiš. ... Er lehnt die Einführung des Euro in Tschechien genauso ab, wie die Flüchtlingsquote und die Ausweitung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Babiš will die Kontrolle an den Grenzen des Landes wiedereinführen und sendet ein starkes Signal gegen Korruption, das aber aufgrund des Verdachts auf EU-Subventionsbetrug in Frage gestellt werden muss. ... Seine Partei Ano, was auf Tschechisch Ja bedeutet, ist zugleich das Acronym für 'Aktion unzufriedener Bürger'. Die vor vier Jahren gegründete Partei passt zum allgemeinen Trend in Europa hin zu zentristischen Parteien, die Wähler der traditionellen Mitte-Parteien anziehen sollen.“

Právo (CZ) /

Starke Hand statt demokratischer Werte

Obwohl es Tschechien gut geht, wird von etwa der Hälfte der Wähler ein Regierungschef mit starker Hand bevorzugt, kommentiert Právo:

„Leider finden wir keine Definition dafür, was sich die Leute darunter vorstellen. Wollen sie etwas wie Kaczyńskis Polen, Orbáns Ungarn oder etwas wie in Putins Russland oder im kommunistischen China? Wohl eher nicht. ... Soziologen sagen, die Leute empfinden angesichts der Lage in der Welt Unsicherheit und Angst vor der Zukunft. Daraus folge, dass sich eine Reihe von Menschen unter einer Regierung der starken Hand die Fähigkeit vorstellen, Stabilität, Perspektiven und die Sicherheit der Bürger zu garantieren. Das wiederum bringt Politiker hervor, die den Menschen versprechen, ihnen die Angst zu nehmen. Es ist beunruhigend, wenn mehr und mehr Menschen ihr Lebensniveau über demokratische und liberale Werte stellen.“

Sme (SK) /

Prag vor komplexer Regierungsbildung

Die Parteien der Mitte würden nach der Wahl mit der wahrscheinlich siegreichen Partei Ano von Andrej Babiš' nur dann koalieren, falls der unter Betrugsverdacht stehende Medienmogul auf das Premiersamt verzichtet. Doch das kann schwierig werden, prophezeit Sme:

„Präsident Miloš Zeman hat angekündigt, dass er Babiš, falls er die Wahl gewinnt, mit der Regierungsbildung beauftragt, selbst wenn der in Untersuchungshaft säße. Babišs Gegner wollen in keine Regierung mit ihm gehen. Doch wenn sie selbst keine Mehrheit zusammenbekommen, werden sie es müssen. Sollte Babiš eine Mehrheit mit den Kommunisten und dem Rechtspopulisten Okamura bekommen, hätte er einen Trumpf in der Hand, mit dem er einen Teil seiner Gegner in die Regierung zwingen könnte, selbst gegen deren Willen.“