Ist Tschechiens Wahl antieuropäisch?

Der Gewinner der tschechischen Parlamentswahl Andrej Babiš hat angekündigt, in der EU für seinen harten Anti-Zuwanderungskurs zu werben. Bereits im Wahlkampf hatte er auf europakritische Töne gesetzt. Von Europas Werten will Prag wohl nichts mehr wissen, bedauern Kommentatoren und diskutieren, warum Babiš Kurs bei den Wählern verfangen hat.

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Denník N (SK) /

Für Prag geht es in der EU nur noch ums Geld

Europäische Werte werden für den künftigen tschechischen Premier kaum zählen - wohl aber das Geld der EU, glaubt Dennik N:

„Babiš ist ein Pragmatiker. Er weiß, dass die tschechische Wirtschaft EU-Subventionen benötigt. Für die exportorientierten tschechischen Firmen ist die Union wichtig. Auch der Erfolg von Babiš' Firmen gründet nicht nur auf seinen unternehmerischen Fähigkeiten, wie er behauptet. Der Hauptgrund dafür liegt - zumindest in seinen Unternehmen der Agrarbranche - in den Geldern aus der EU. Babiš wird also ganz sicher nicht die tschechische Mitgliedschaft in der EU in Frage stellen. ... Was aber nicht heißt, dass Babiš nicht irgendwann auf eine ähnliche antieuropäische Rhetorik wie Ungarns Viktor Orbán setzen könnte.“

24 Chasa (BG) /

Osteuropas Populisten reiten die Nostalgiewelle

Politiker wie Babiš machen sich in Osteuropa die Unzufriedenheit der Bürger zunutze, analysiert 24 Chasa:

„'Früher war alles besser' lautet der klassische Spruch der Populisten, mit dem sie die meisten Wähler anlocken. Besonders in Osteuropa, wo viele Menschen durch den Übergang vom Kommunismus zum Kapitalismus verarmt sind und sich betrogen oder enttäuscht fühlen. Die Demokratie hat nicht den Wohlstand gebracht, den sie sich erhofft hatten. Das hat die Menschen so mürbe gemacht, dass sie bereit sind die Macht an Politiker zu übertragen, die sich verhalten wie Diktatoren, solange sie denn versprechen, wieder Gerechtigkeit herzustellen. … Babiš hat den Enttäuschten alles versprochen, was sie hören wollten. … Dass er versprochen hat, eine Elite zu entmachten, zu der er selbst gehört, stört die Wähler nicht.“

Turun Sanomat (FI) /

Anti-EU-Kampagne blendet Wähler

Die tschechischen Wähler scheinen nicht zu realisieren, wie stark ihr Land von der EU-Mitgliedschaft profitiert, klagt Turun Sanomat:

„Der Wahlsieg der Ano beruhte auf einer Kampagne gegen die EU und den Euro, die die Einwanderung, Deutschland und die EU-Asylpolitik im Visier hatte. Und diese Kampagne scheint bei den Wählern zu verfangen. Laut jüngsten Eurobarometer-Meinungsumfragen halten nur 29 Prozent der Tschechen die EU-Mitgliedschaft für eine gute Sache. Das tschechische Wirtschaftswachstum gehört zu den höchsten in der EU, der Export läuft auf Hochtouren und die Arbeitslosigkeit ist gering. Dass Tschechien von der Zusammenarbeit mit Deutschland, dem EU-Binnenmarkt und den EU-Regionalförderungen enorm profitiert hat, hat für die Wähler offenbar keine große Bedeutung.“

Gazeta Polska Codziennie (PL) /

Tschechien schließt auf zu Polen und Ungarn

Mit der neuen Regierung wird Tschechien ein Verbündeter Ungarns und Polens, glaubt Igor Szczęsnowicz von Gazeta Polska Codziennie:

„Die Visegrád-Gruppe wird stärker. Sie ist inzwischen so stark, dass es eine Freude ist. Natürlich meine ich hier mit 'Stärke' eine entschieden euroskeptische und einwanderungsfeindliche Haltung. Polen und Ungarn wehren sich gegen die Aufnahme von Immigranten und dagegen, dass sozialistische EU-Kommissare dem Land ihren Willen aufzwingen. Diesen beiden Ländern wird sich bald auch Tschechien anschließen. Davon ist nach dem Wahlsieg der Partei Ano von Andrej Babiš auszugehen.“

Pravda (SK) /

Slowakei setzt sich von Visegrád-Gruppe ab

Anders die Entwicklung in der Slowakei: Dort haben nach der Wahl in Tschechien Premier Robert Fico, Präsident Andrej Kiska und Parlamentsschef Andrej Danko in einer gemeinsamen Erklärung den proeuropäischen Kurs des Landes festgeschrieben. Das könnte das Ende der Visegrád-Gruppe bedeuten, meint Pravda:

„Zur Ehrenrettung der drei muss man sagen, dass das Geläut der Todesglocke vorher aus Tschechien kam, wo die populistische, euroskeptische Rechte gewonnen hat. Tschechien rückt damit näher an Warschau und Budapest als an Berlin und Brüssel. Da wirkt die Slowakei wie eine prowestliche und proeuropäische Insel im Meer der mitteleuropäischen Unsicherheit, zu dem jetzt auch Österreich gehört. Unsere slowakische Zustimmung zu Europa ist nicht perfekt. Aber sie ist derzeit eindeutig die stärkste in der Region.“