Worauf fußt Zemans Sieg in Tschechien?

Amtsinhaber Miloš Zeman hat die tschechische Präsidentschaftswahl wieder für sich entschieden. Der für seine EU-Skepsis, eine rigide Migrationspolitik und Kreml-Nähe bekannte Staatschef lag mit 51,4 Prozent nur knapp vor seinem Herausforderer, dem Politneuling Jiří Drahoš. Europas Medien analysieren die Motive der Wähler und wittern Einflussnahme aus Russland.

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Sme (SK) /

Ein Triumph von Hass und Vulgarität

Von einem Sieg negativer Emotionen spricht Sme:

„Der frühere Präsident Václav Klaus sagt, der gesunde Menschenversand der einfachen normalen Menschen habe über die Manipulation gewonnen. In Wahrheit war es ein Sieg des Hasses und der Vulgarität. ... Viele der 2,8 Millionen Wähler von Zeman glaubten, dass Horden von Muslimen aus dem Ausland mit funkelnden Augen darauf lauerten, Mitteleuropa plündern zu können. Das war ein Sieg der Verachtung für Gnade, Bildung, positive Ideen und Visionen. Überall gibt es diese Wähler der 'schlechten Stimmung', der Frustration und Wut. Bei der AfD, der neofaschistischen slowakischen Partei von Marian Kotleba oder der FPÖ. Doch früher oder später kommen Politiker mit einer positiven Vision. Irgendwann, so glauben wir, auch in Tschechien.“

Lidové noviny (CZ) /

Rücksichtslos wie eh und je

Dass sich Zeman in seiner zweiten Amtszeit zurückhalten wird, so wie er es versprochen hat, glaubt Lidové noviny nicht:

„Diese Zusicherung hat nicht die Innenpolitik betroffen. So können wir erwarten, dass er in das Innenleben der von ihm einst geführten Sozialdemokraten eingreifen wird, aber auch in die Bildung der kommenden Regierung. Zeman wird auf niemanden Rücksicht nehmen. Das kann die Atmosphäre im Land sehr ungut beeinflussen. ... Zeman hat sich nie einer strengen Selbstkontrolle unterzogen. Er wird das auch jetzt nicht tun, wie nach den Wahlen seine Reaktion auf diejenigen zeigte, die ihm nicht genehm sind. Bei Zeman muss man immer damit rechnen, dass irgendwas passiert. Er kann in Präsidentschaftswahlen nicht mehr besiegt werden, weil er jetzt in seine zweite Amtszeit geht. Umso mehr wird er versuchen, die Innenpolitik nach seinem Willen zu formen. “

15min (LT) /

Kreml hat sein Ziel erreicht

Mit der Wahl Zemans ist ein Traum Russlands in Erfüllung gegangen, mutmaßt 15min:

„Putins Regime handelt nicht immer selbst. Sein Traumszenario ist es, wenn der Kreml seine Ziele mit Hilfe fremder Hände erreicht. Am liebsten mit Hilfe der Bürger, um deren Land man kämpft. In Tschechien hat das besser geklappt als erhofft. Keiner kann zwar behaupten, dass die Kampagne gegen Drahoš von Moskau geplant war. Sie wurde aber sowohl von den populistischen als auch von den prorussischen politischen Kräften in Tschechien unterstützt. ... Viele Unternehmer haben Zeman auch unterstützt. Dank effizienter Bemühungen Russlands vertraut jeder vierte Tscheche den alternativen Medien, die oft Fake News verbreiten, mehr als den etablierten Medien.“

Hospodářské noviny (CZ) /

Frustration und Mangel an Alternativen

Als eine vertane Chance, den Graben quer durch die tschechische Gesellschaft zuzuschütten, sieht Hospodářské noviny den Ausgang der Wahl:

„Gründe für das Ergebnis gibt es drei. Zeman konnte auf die Frustration eines Teils der Bevölkerung bauen, hat das Finale seines Wahlkampfs bravourös gemeistert und hatte keinen ausreichend starken Herausforderer. Was heißt das? Die Zerrissenheit der Gesellschaft wird sich noch weiter vertiefen, mental wird sich Tschechien weiter vom Westen entfernen. ... Zemans Sieg muss selbstverständlich respektiert werden. Aber es muss auch gesagt werden, dass er keine gute Nachricht ist. Vor allem deshalb, weil dem Land die Hoffnung genommen wurde, wieder geeint zu werden.“

PestiSrácok (HU) /

Bodenständigkeit setzt sich durch

Der Publizist Gyula Máté T. fasst auf dem regierungsnahen Blogportal PestiSrácok.hu den Wahlkampf zusammen:

„Drahoš gegen Zeman: Das 'zivilisierte Europa' hat sich mit dem 'barbarischen Osten' gemessen. Auf der einen Seite der liberale Intellektuelle, der den Espresso mit abstehendem kleinen Finger trinkt, auf der anderen Seite der bodenständige Sohn des Volkes, der Bier mit Becherovka säuft. ... Zemans Sieg ist ein Schlag gegen Brüssel. Noch dazu ein viel größerer als vor fünf Jahren, wurde doch die Parlamentswahl im vergangenen Jahr ebenfalls von einer EU-skeptischen Partei unter Andrej Babiš gewonnen. Diese hat in der Legislative bislang noch keine Mehrheit zustande gebracht. Mit Zeman im Rücken hat sie nun aber reale Chancen, eine Regierung zu bilden.“

Duma (BG) /

Bürger votierten für Standhaftigkeit

Die Tschechen haben sich nicht von der antirussischen Propaganda blenden lassen, lobt die prorussische Tageszeitung Duma:

„Die schweigende Mehrheit der Tschechen, besorgt durch die Angriffe auf Zeman, hat die entscheidende Rolle für seinen Wahlsieg gespielt. Der Kerninhalt der Angriffe gegen ihn war seine unabhängige und undogmatische Politik gegenüber Russland. … [Die Mehrheit der Tschechen] verfolgte die Wahlkampagne zwar nicht im Detail, hat aber ungeachtet dessen den Shitstorm gegen die prorussischen Stimmen vernommen und am Ende entschieden, am Wahltag nicht zu Hause zu bleiben. Die Tschechen haben den erfahrenen und vernünftigen Kandidaten gewählt, der ihre nationalen Interessen vertritt und nicht bloß Europa und den USA nach der Pfeife tanzt.“

taz, die tageszeitung (DE) /

Große Show für den Volkstribun

Ein Präsident, der eigentlich nur wenige Vollmachten hat, sollte besser nicht direkt gewählt werden, findet die taz:

„Was wir in Tschechien in den vergangenen Tagen und Wochen beobachten durften, war eine Mischung aus 'Einer wird gewinnen' und 'Tschechien sucht den Superstar'. … Die Direktwahl … macht den Präsidenten zum Volkstribun, in dem der Wähler seine eigenen Wünsche und Hoffnungen reflektiert. Das nimmt dem Amt genauso an Würde wie das Buhlen der Kandidaten um die Gunst des Volkes im Wahlkampf. Die Erfahrungen in Tschechien haben zudem gezeigt, dass der Präsident seine Wahl per Volksabstimmung als Argument nutzt, viel politischer zu sein, als es die Verfassung vorsieht. … Dem alten Mann, das hat die erste Amtszeit bewiesen, bereitet es offensichtlich Freude, die Spaltung der Gesellschaft weiter zu vertiefen. Die direkte Form seiner Wahl verschafft ihm dafür nur noch mehr Munition.“