Junckers Reformidee: Kommt nun die EU der Bürger?

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will die EU bürgernäher machen. Dafür hat er am Mittwoch ein Zwei-Kammer-System vorgeschlagen, bestehend aus EU-Parlament und einem Rat der Mitgliedstaaten. Kommissions- und vielleicht auch Ratspräsident sollen direkt gewählt werden. Langfristig könnten ihre Rollen in nur einem Amt verschmelzen. Journalisten diskutieren, ob die Richtung stimmt.

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Wiener Zeitung (AT) /

Ein Präsident weniger ist eine gute Idee

Das ist die richtige Entschlackungskur für die EU, freut sich die Wiener Zeitung:

„Junckers Anliegen ist es, die Europäische Union übersichtlicher und demokratischer zu machen. Dazu will er mittelfristig die Ämter der Präsidenten von Kommission und Rat fusionieren und ein Zwei-Kammer-System aus dem EU-Parlament und dem Rat der Mitgliedstaaten etablieren. Eine Verringerung der Anzahl der Präsidenten auf EU-Ebene würde zweifellos helfen, die Verantwortlichkeit für die Bürger nachvollziehbarer zu gestalten. Kurzfristig soll die Union durch die Beibehaltung des EU-weiten Spitzenkandidatensystems für die Bürger politisch attraktiver werden.“

La Vanguardia (ES) /

Die Gelegenheit ist günstig

Jetzt ist der perfekte Zeitpunkt, um Junckers Pläne umzusetzen, glaubt La Vanguardia:

„Die Bedingungen sind günstig. Das europäische Wirtschaftswachstum ist wieder auf dem Vorkrisenstand von vor zehn Jahren. Die deutschen Sozialdemokraten werden in der erneuerten Großen Koalition die Position Merkels aufweichen. Der bevorstehende EU-Austritt Großbritanniens wirkt sich paradoxerweise ebenfalls positiv auf die europäische Konvergenz aus. Kurz vor dem Brexit werden die traditionellerweise von den Briten angeführten Argumente gegen eine weitere Integration verstummen. Und die politische Einheit Europas rückt näher.“

Deutschlandfunk (DE) /

Macrons Ideen können noch mehr bewirken

Der Deutschlandfunk beklagt, dass Juncker die Idee transnationaler Listen nur lauwarm unterstützt hat - und hofft dennoch auf Veränderung:

„Transnationale Listen: Ja! Aber noch nicht 2019. ... Fraglich, ob das reicht, den Vormarsch der Rechtspopulisten zu stoppen? Aber da gibt es ja noch diese eine große Unbekannte. Im Internet ist für die Bewegung 'Europe en Marche!' bereits eine Seite reserviert. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron wird versuchen, das Erfolgsrezept seines nationalen Wahlerfolgs auf die europäische Bühne zu übertragen. Gelingt es ihm noch einmal, diese proeuropäische Stimmung zu entfachen, dann würde dies den Ausgang der Wahlen viel stärker beeinflussen als alle verfahrenstechnischen Vorschläge, die bislang präsentiert wurden.“