Was lehrt die Münchner Sicherheitskonferenz?

"Hin zum Abgrund - und zurück?" Dieses Motto stand über der Münchner Sicherheitskonferenz vom vergangenen Wochenende. Nach dem Treffen der Politelite versuchen sich Kommentatoren mit einer Analyse der drängendsten außenpolitischen Fragen.

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Dnevnik (SI) /

EU hat das eigentliche Problem nicht verstanden

Viele europäische Politiker forderten auf der Konferenz mehr militärische Eigenständigkeit der EU - auch als Reaktion auf die Politik Donald Trumps. Dnevnik sieht das Problem nicht so sehr bei den USA:

„Die Politik der USA gegenüber der EU folgt einer bereits von zwei Präsidenten vor Donald Trump formulierten Strategie. Mit europäischen Interessen stimmt sie nicht überein. Aber warum sollte sie das auch? Für die regierende US-Elite galt schon immer, dass man zuerst an sich selbst denken muss. 'America first' ist keine Erfindung Trumps. ... Das Problem liegt nicht darin, dass die US-Außenpolitik nicht mit den europäischen Interessen übereinstimmt. Das Problem ist, dass die EU die US-Außenpolitik als ihre eigene angenommen und sich ihr unterworfen hat. Dass also die EU-Politik nicht mit den europäischen Interessen in Einklang steht.“

De Tijd (BE) /

Netanjahu und das Pulverfass

De Tijd schwant angesichts von Netanjahus Auftritt auf der Sicherheitskonferenz nichts Gutes:

„Im eigenen Land wird Netanjahu von einem Korruptionsskandal verfolgt. Die Politik ist überzeugt, dass der Premier sich vor Gericht verantworten muss. Sein Auftritt in Deutschland passt in dieses Bild: Er will seinen Landsleuten zeigen, dass er gebraucht wird, um die Bedrohungen aus dem Ausland abzuwenden. Die Interessen der anderen Spieler sind weniger deutlich: weder die der USA, noch die des Iran, Russlands oder der Türkei. Die europäischen Versuche, die Lage mit Diplomatie zu entschärfen, sind löblich. ... Die Frage ist aber, ob die diplomatische Initiative auch effektiv ist. Wenn eine Kriegslogik in Gang gesetzt wurde, ist eine Kehrtwende schwierig. Und Kriegslogik kennt die Region leider nur allzu gut.“

La Stampa (IT) /

Iran bekommt Atomprogramm auf dem Silbertablett

Auf ihre drängenden Fragen bekommen die Europäer von Washington keine Antwort, beobachtet La Stampa:

„Besonders dringlich ist die Frage des Atomabkommens mit Teheran. Donald Trump will es 'verbessern'. Europa ist bereit, dabei zu helfen. Aber wie soll die Verbesserung aussehen? Da das Weiße Haus sich in Schweigen hüllt, bleibt Washington die Antwort schuldig. … Die Europäer hatten Washington geraten, das Abkommen nicht zu vernichten. Vergeblich. Also müssen sie Teheran überzeugen, Auflagen zu akzeptieren, die das Abkommen nicht vorsieht. Doch ist nicht gesagt, dass der Iran darauf eingeht. Das Abkommen hat in Teheran viele Gegner, die nur darauf warten, das Atomprogramm wieder aufzunehmen. Trump serviert ihnen diese Gelegenheit auf dem Silbertablett.“

Trud (BG) /

Europa ist Russland und USA machtlos ausgeliefert

Dass die größte Gefahr für Europas Sicherheit der Konflikt zwischen Russland und den USA ist, erklärt nach der Konferenz in München Trud:

„Die USA bauen ihre Raketenabwehrsysteme in Europa und Russland hat seine Raketen auf Ziele in Europa gerichtet. Deutschland und Frankreich sind zwar am Minsk-II-Abkommen beteiligt, doch ob sich der Ukraine-Konflikt zuspitzt und außer Kontrolle gerät, hängt davon ab, ob die USA Waffen an die Ukraine und dementsprechend Russland Waffen in den Donbass liefern werden oder nicht. Die EU hat in den wichtigsten Angelegenheiten, die ihre Sicherheit betreffen, nichts zu sagen. Sie ist ein unbeteiligter Beobachter von Ereignissen, die das Potenzial haben, den europäischen Kontinent wieder zum Opfer von Streitigkeiten und geopolitischen Ambitionen von außereuropäischen Staaten zu machen.“

Salzburger Nachrichten (AT) /

EU ist nicht "weltpolitikfähig"

Europa muss auf das Machtvakuum reagieren, das die USA mit ihrem Rückzug aus der Weltpolitik hinterlassen, fordern die Salzburger Nachrichten:

„Den Europäern dämmert, dass sie in der Außen- und Sicherheitspolitik eigenständiger und einiger auftreten müssen. Aber gerade jetzt will mit Großbritannien ein besonders starker Akteur die EU verlassen. Im Nebel bleibt, wie die Kooperation nach dem Brexit funktionieren soll. Die EU-Staaten müssen anfangen, Rüstungsprojekte gemeinsam zu planen, statt sich in einer Vielzahl unterschiedlicher Waffensysteme zu verzetteln. Wie die EU mit Verteidigungskomponente eine Konkurrenz mit der Nato vermeiden will, ist keineswegs klar. Eine 'weltpolitikfähige' EU, wie Kommissionschef Jean-Claude Juncker meint? Das ist vorerst Rhetorik, weit weg von der Realität.“