Selbstgerechte Johnson-Basher

Egal ob Johnson den Tory-Vorsitz ablehnt oder Chefdiplomat wird: Empörte prügeln ihn für alles.

Boris Johnson war der prominenteste, unterhaltsamste und skrupelloseste Verfechter eines EU-Austritts Großbritanniens. Im Zweifel zog der Londoner Ex-Bürgermeister die Pointe der schnöden Wahrheit vor. Das machte er schon immer so. Ein Charakterfehler.

Als Johnson nach dem Brexit-Votum und dem Rücktritt von Premier Cameron nicht für den Vorsitz bei den Konservativen kandidierte, rollte eine Welle künstlicher Erregung durch Europa: EU-Kommissionspräsident Juncker warf ihm gar unpatriotische Gesinnung vor und verglich ihn mit einem Kapitän, der das Schiff in einer schwierigen Situation verlasse.

Mindestens genauso wenig recht ist dem Chor der Entrüsteten nun freilich, dass Johnson doch Verantwortung übernimmt – als Außenminister. Und so werden zuhauf alte undiplomatische Äußerungen des Scherzbolds hervorgekramt, um zu zeigen, wie ungeeignet er für den Job sei. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, der außer als Bürgermeister von Würselen nie regierte, verstieg sich sogar zur Behauptung, Premierministerin May habe bei ihrer Kabinettsbildung die nationalen Interessen Großbritanniens nicht ausreichend berücksichtigt.

Das ist Unfug. Es war klug von May, Brexit-Befürworter wie Johnson, die ihrem Land mit der EU-Austrittskampagne schadeten, in die Pflicht zu nehmen. Sie müssen nun selbst den Karren aus dem Dreck ziehen.

Johnson ist intelligent, weltoffen und gebildet genug, um sich seiner neuen Rolle gemäß zu verhalten. Das unterscheidet ihn von humorbefreiten Selbstgerechten, die nicht aufhören, auf ihn einzuschlagen.

christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.07.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.