Doping-Report :
IOC-Präsident Bach muss jetzt handeln

Ein Kommentar von Evi Simeoni
Lesezeit: 2 Min.
Seite an Seite in Sotschi 2014: IOC-Präsident Thomas Bach (links) und Russlands Präsident Wladimir Putin.
Nach dem McLaren-Bericht über staatliches Doping ist kaum vorstellbar, dass ein russisches Team bei Olympia startet. Auch der Blick über die Spiele in Rio hinweg verheißt nichts Gutes.

Olympia erlebt einen schrecklichen Albtraum: Nicht nur das Internationale Olympische Komitee (IOC), sondern vor allem die Sportler aus aller Welt, die bei den Winterspielen 2014 in Sotschi am Start waren, wurden von ihrem Gastgeber betrogen und verhöhnt. Das staatlich angeordnete und organisierte Dopingsystem reicht aber noch weit über Sotschi hinaus. Alle olympischen und auch die nicht-olympischen Sportarten sind von dem mit erheblicher krimineller Energie organisierten Verschleierungsprogramm betroffen, ja, sogar die Behindertensportler in erstaunlich großer Zahl.

Nach dem, was der Bericht des von der Welt-Anti-Doping-Agentur beauftragten Kanadiers McLaren zu Tage gefördert hat, ist kaum mehr vorstellbar, dass Sportler, die von diesem System protegiert werden, im nächsten Monat bei den Olympischen Spielen in Rio am Start sein können. Eine russische Mannschaft mit Landesflagge und Nationalhymne in Rio – das würde den Schaden, den Olympia durch die russische Betrugsmaschinerie erlitten hat, noch dramatisch verschlimmern. Anti-Doping-Kampf: Unglaubwürdig. Null-Toleranz-Politik: Eine Worthülse. Olympische Werte: Theater. Das, was Olympia-Kritiker schon lange behaupten, wäre endlich unabweisbar belegt. Ein offizielles russisches Team in Rio würde die innere Selbstaufgabe Olympias bedeuten.

Doch wie soll ein Ausschluss von statten gehen? Die Erwartung, dass Russland seine Mannschaft angesichts der Schwere der Enthüllungen selbst von den Spielen zurückzieht, ist unrealistisch, auch wenn der ganz normale Anstand das gebieten würde. Die bisherige Vorstellung von IOC-Präsident Thomas Bach, dass die Weltverbände der einzelnen Sportarten die nationalen russischen Verbände sperren und damit das Problem auf der zweiten Ebene kollektiv lösen könnten, entbehrt der entschlossenen Signalwirkung.

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Zumal Bachs Argumentation, der nationale Partner des IOC, das Russische Olympische Komitee (ROC) sei von dem Doping-System unbelastet, sich nur schwer wird halten lassen. Der Stellvertretende Sportminister Juri Nagornich, die Schaltstelle des Dopingprogramms, ist Mitglied im Vorstand des ROC. Der IOC-Präsident wird also endlich entschlossen handeln müssen über alle pragmatischen Erwägungen hinweg, falls er seiner Verantwortung für eine Zukunft des werteorientierten Olympias gerecht werden will. Es steht alles auf dem Spiel.

Auch der Blick über die Spiele in Rio hinweg verheißt nichts Gutes. Sportjuristischen Zugriff auf den russischen Sportminister Witali Mutko, der im Zentrum des Doping-Netzes saß, hat nur der Fußball-Weltverband Fifa, dessen Council er angehört. Ausgerechnet die Fifa! Die Frage, ob deren Ethik-Kommission sich auch noch mit den Olympia-Problemen belasten will, muss vorerst offen bleiben. Nur so viel dazu: Mutko ist auch Vorsitzender des Organisationskomitees der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Russland.

Die zentralen Ermittlungsergebnisse des McLaren-Reports

Die drei zentralen Ergebnisse im Ermittlungsreport der Welt-Anti-Doping-Agentur zu Doping in Russland.

1. Das Moskauer Labor agierte zum Schutz von gedopten russischen Athleten innerhalb eines vom Staat bestimmten, unfehlbaren Systems. Dieses wird im Report als Methode der verschwundenen Positivproben beschrieben.

2. Das Labor in Sotschi entwickelte eine einzigartige Methode zum Austausch von Proben, um gedopten russischen Athleten die Teilnahme an den Spielen zu ermöglichen.

3. Das Sportministerium leitete, kontrollierte und überwachte die Manipulation der Athletenbefunde oder den Proben-Austausch. Das geschah unter aktiver Teilnahme und Hilfestellung von FSB (russischer Inlandsgeheimdienst), CSP (Trainingszentrum der russischen Top-Athleten) sowie der Labors in Moskau und Sotschi.