Seit es die Währungsunion gibt, kocht in den Euroländern immer wieder der Streit hoch, was denn die "richtige" Europolitik sei. Müssen die damit verbundenen haushalts- und finanzpolitischen Regeln auf Punkt und Beistrich eingehalten werden? Oder soll man, wenn es das wirtschaftliche Umfeld nahelegt, von allzu großer Striktheit zeitweise abgehen können, um zu vermeiden, dass ganze Volkswirtschaften und Bürger noch mehr ins Elend abgleiten?

Eine eindeutige Antwort darauf ist nicht möglich. Sie hängt davon ab, welches politische Grundkonzept dahintersteht. Traditionen der Länder spielen eine große Rolle. Es spiegelt sich darin der Urkonflikt zwischen Deutschland und Frankreich, der die Eurozone seit 1998 begleitet, dazwischen die übrigen Staaten. In Berlin sind die Hüter der reinen Eurolehre zu Hause, in Paris die Etatisten, die das Primat von Politik und Wachstum über Stabilität stellen. So betrachtet ist die Entscheidung der Kommission, Spanien und Portugal Strafzahlungen zu erlassen, weise.

Vom bloßen Abstrafen hat niemand etwas, vom Eingreifen schon. Die Eurostaaten müssen eng verzahnt werden, Maßnahmen abstimmen, eine flexible Wirtschafts- und Währungsunion schaffen. Die Union ist immer am besten gefahren, wenn man Profit und Fortschritt im Kompromiss, nicht im Gegeneinander gesucht hat. Niemand sollte das besser wissen als Euro-Hauptnutznießer Deutschland. (Thomas Mayer, 27.7.2016)