Egal ob Nizza oder Normandie – den französischen Präsidenten François Hollande hielt es nach den jüngsten islamistischen Attentaten in seinem Land nicht lange in Paris, er fuhr an die Orte des Grauens. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ein paar Tage länger gebraucht, um von ihrem nordbrandenburgischen Ferienhaus, wenn schon nicht nach Bayern, so doch zumindest nach Berlin zu kommen und über das Geschehen zu sprechen.

Das kann man ihr einerseits vorwerfen, andererseits: Es würde die Deutschen, die seit zehn Jahren mit ruhiger Hand von ihr geführt werden, vermutlich noch mehr verunsichern, verhielte sich Merkel jetzt nach dieser "Blutwoche" (Bild-Zeitung) anders und träte pathetischer auf, als man es von ihr erwarten würde.

Apropos erwarten. Überraschend war nichts von ihrer Botschaft, die beständig vom Einerseits-und-Andererseits kündete: Einerseits müssten solche abscheulichen Taten natürlich verhindert werden, andererseits solle Deutschland ein offenes Land bleiben, das auch weiterhin Flüchtlinge aufnehme. Es ist das, was man gemeinhin vernünftiges Mittelmaß nennt. Von diesem Weg will sich Merkel auch weiterhin nicht abbringen lassen.

Zur Demonstration, dass der Staat mitnichten nur zusieht, hat sie auch einen Neun-Punkte-Katalog mitgebracht: bessere Kooperation mit Geheimdiensten, mehr Geld für Prävention und Polizei. Vieles davon erinnert an eine To-do-Liste, die noch vor dem Urlaub abzuarbeiten ist: Wollte man eh schon lange machen, aber jetzt muss man wirklich mal ran.

Ein Zugeständnis an die Hardliner in der Union sind die gemeinsamen Übungen von Polizei und Bundeswehr für den Fall eines großen Anschlags. Doch hier stellt sich die Frage, ob es wirklich sein muss. Der Einsatz der Bundeswehr im Inneren könnte nämlich nicht mehr Sicherheit vorgaukeln, sondern eine Schwachstelle bloßlegen: Soldaten müssen eingesetzt werden, weil die Polizei in den vergangenen Jahren an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit zusammengespart wurde.

Und dann kam tatsächlich der Refrain vom Schaffen, von den Deutschen, die schon so viel geschafft hätten und auch noch alles Weitere schaffen würden. Klar, was soll Merkel schon sagen? Sorry, ich habe mich geirrt? Wir müssen jetzt sofort alles anders machen und unsere Grundsätze der Menschlichkeit über Bord werfen. Natürlich nicht, es wäre keine gute Botschaft in schwierigen Zeiten. Dennoch war dieses erneute "Wir schaffen das", eine Zeile aus dem Sommerhit des Vorjahres, mittlerweile ziemlich aus der Mode gekommen. Fast war man peinlich berührt.

Es klingt wie singen gegen die Angst und die Hilflosigkeit. Selbstverständlich ist Merkel persönlich nicht für all das Schreckliche verantwortlich, was in Deutschland passiert – nicht einmal, wenn es die Tat eines Flüchtlings ist. Aber viele Menschen in ihrer Angst und Wut sehen es leider anders.

Und auch Merkel weiß, dass sie im Moment nichts Konkretes tun kann. Die eine Stellschraube, an der zu drehen wäre, gibt es nicht und wird es nie geben – auch wenn es Populisten glauben machen wollen. Der deutschen Bundeskanzlerin bleibt fürs Erste nichts anderes übrig, als weiterzumachen, für mehr Polizei zu sorgen und zu hoffen, dass nach den schrecklichen Taten, die nun auch in Deutschland passiert sind, erst einmal wieder Ruhe einkehrt. (Birgit Baumann, 28.7.2016)