Europa:Die Türkei braucht Hilfe

Es gibt jetzt Wichtigeres zu tun, als Verhandlungen zu stoppen.

Von Christiane Schlötzer

Österreichs Kanzler Christian Kern möchte, dass die EU die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei offiziell für beendet erklärt. Er will das Thema auf die Tagesordnung des Europäischen Rats im September setzen. Das könnte tatsächlich der Anfang vom Ende eines historischen, einst hochambitionierten Annäherungsversuchs sein. Denn wenn es derzeit ein europäisches Grundgefühl gibt, dann dieses: Die Türkei gehört nicht zur EU, sie ist zu autoritär regiert, zu zerrissen, zu unberechenbar.

Das Aus also nur noch ein Federstrich? Was wären die Folgen? Tayyip Erdoğan hätte kein Problem damit, den Türken zu erklären: Seht her, "der Westen" mag uns nicht, die EU paktiert mit den Putschisten. Der Propaganda-Apparat in Ankara läuft ja schon auf Hochtouren, staatsnahe Medien hüllen das Volk in antieuropäische Nebelschwaden ein.

Es ist ein Trauerspiel. Denn eigentlich bräuchte die Türkei gerade jetzt Hilfe aus Europa. All die Prozesse gegen angebliche und echte Putschisten müssten von europäischen Beobachtern verfolgt werden. Europäische Menschenrechtsorganisationen müssten Zugang zu Haftanstalten und Polizeikellern verlangen. Nur wenn ein klares Bild entsteht, was in der Putschnacht am 15. Juli und seither in der Türkei vorgefallen ist, wird das Land irgendwann wieder zu Ruhe und Rechtsstaatlichkeit zurückfinden. Darüber sollte die EU schleunigst reden, alles andere hat Zeit.

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