Kommentar Minigipfel zur EU-Krise: Merkels flotter Dreier

Das Treffen der Kanzlerin mit Matteo Renzi und François Hollande suggeriert Aufbruch. Dabei tut Merkel so, als hätte es den Brexit nie gegeben.

Renzi, Merkel und Hollande vor einem Hubschrauber

Viel Wind gemacht: Renzi, Merkel und Hollande Foto: reuters

Fast zwei Monate sind seit dem Brexit-Votum vergangen. Doch Europa weiß immer noch nicht, wie es nach dem britischen Nein weitergeht. Bricht die Europäische Union auseinander? Oder reißt eine neue Führung das Ruder herum und rettet die EU?

Kanzlerin Angela Merkel bemüht sich in diesen Tagen um eine Antwort. Ein erstes Treffen mit Ratspräsident Donald Tusk in Berlin verlief ohne Ergebnis. Umso größer waren deshalb die Erwartungen an den Dreiergipfel mit Italien und Frankreich. Doch sie wurden enttäuscht. Das Treffen am Grab des Antifaschisten Altiero Spinelli und die Pressekonferenz auf dem Flugzeugträger „Giuseppe Garibaldi“ war reich an Symbolen, jedoch arm an Substanz. Der Kurs der EU bleibt weiter unklar.

Merkel ließ die von Gastgeber Matteo Renzi gewählten Symbole links liegen. Sie wollte kein Bekenntnis zu den Vereinigten Staaten von Europa abgeben, die Spinelli einst visionär entworfen hatte. Mehr Europa, eine föderale EU? Für Merkel kein Thema. Auch eine europäische Streitmacht bleibt tabu. Dass Renzi sie auf das Flaggschiff der EU-Mission „Sophia“ gelockt und für mehr Militärmissionen geworben hatte, prallte an Merkel ab. Nur beim Grenzschutz, also bei der Flüchtlingsabwehr, will sie mehr tun.

Doch selbst das bleibt vage – wie alles, was Merkel bei diesem Dreiergipfel sagte. Überraschend ist das nicht. Denn die Kanzlerin hat keinen Plan. Der Brexit hat sie kalt erwischt, der Verlust ihres Buddys David Cameron hat sie schwer getroffen. Zusammen mit Cameron hat Merkel das EU-Budget gekürzt und Brüssel auf Wettbewerbsfähigkeit und Freihandel eingeschworen. Nun steht sie allein im deutschen Europa und muss französisch-italienische Forderungen nach einem Kurswechsel abwehren.

Weitere Reisen nach Estland, Tschechien und Polen

Der Kurztrip nach Neapel hatte denn auch vor allem den Zweck, Renzi und Hollande auszubremsen. Seit langem versuchen Italiener und Franzosen, eine Alternative zum neoliberalen deutschen Kurs zu formulieren. Unverhohlen fordert Renzi mehr Macht für Rom. Das will Merkel abwehren. Sie wählt die Umarmungstaktik, geht auf Renzi und Hollande zu, lässt sich aber nicht auf ihre Ideen ein. Sie legt einen flotten Dreier mit Italien und Frankreich hin, will aber kein neues Führungstrio bilden.

Renzi steht ein Referendum, Hollande eine Präsidentschaftswahl bevor, beide könnten darüber stürzen.

Warum auch? Renzi und Hollande sind zu schwach, um Europa zu neuen Ufern führen zu können. Dem Italiener steht ein Referendum, dem Franzosen eine Präsidentschaftswahl bevor, beide könnten darüber stürzen. Merkel hingegen sitzt fest im Sattel. Und so plant sie schon die nächsten Reisen – nach Estland, Tschechien und Polen. Auch dort wird sie versuchen, einen Kurswechsel abzuwehren und den Status quo zu verteidigen. Alles soll weitergehen wie bisher, als hätte es den Brexit nie gegeben.

Europa bringt das nicht voran. Aber das scheint Merkel nicht zu scheren. Erst nach der Bundestagswahl in einem Jahr will sie – vielleicht – ein paar EU-Reformen wagen. Bis dahin soll das Ancien Régime weitergehen. Schließlich ist es ihr Regime. Der Rest ist Show.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.