Sicherlich ist Dilma Rousseff die große Verliererin im brasilianischen Machtpoker. Sie wurde gestürzt durch die Politintrigen eines mehrheitlich korrupten Senats. Auch von ihrer eigenen Partei wurde die unbequeme Präsidentin ins Abseits gedrängt. Die politische Einsamkeit bekam sie in den vergangenen Monaten deutlich zu spüren – ein schmähliches Ende nach 13 Jahren einer linken, hoffnungsvoll begonnenen Ära.

Doch vielleicht ist es zu früh für einen Abgesang. Während des Amtsenthebungsverfahrens hielt sich Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva zunächst im Hintergrund, wich dann aber seiner Nachfolgerin nicht mehr von der Seite. Dabei hatte die graue Eminenz der lateinamerikanischen Linken schon den nächsten Plan ausgeheckt: Der 70-Jährige will die versammelte Opposition im Kongress zusammen mit Gewerkschaften und sozialen Bewegungen zu einer großen Linksfront vereinen. Nur mit dieser breiten Bewegung, so sein Kalkül, kann ihm in zwei Jahren ein Wahlsieg gelingen. Er setzt dabei auf den Volkszorn und die schnelle Abnutzung der hochgradig unbeliebten neuen Regierung unter Michel Temer.

Lula könnte noch ein Strich durch die Rechnung gemacht werden: Auch er ist in einen Korruptionsskandal verwickelt. Eine neue Linksfront würde die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und von den Ermittlungen ablenken, spekuliert er. Damit könnte es Politfuchs Lula erneut gelingen, eine Niederlage in eine Chance umzudeuten. (Susann Kreutzmann, 1.9.2016)