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Strafzinsen, Minusrendite, was kommt noch? Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), will alle Mittel nutzen.

© dpa

Europäische Zentralbank: Nur aufgeschoben

EZB-Chef Mario Draghi stellt unser Leben auf den Kopf. Am Donnerstag hat er auf eine erneute Machtdemonstration verzichtet. Zum Glück. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Heike Jahberg

Spieler und Hasardeure drehen gern das ganz große Rad. Wenn sie Geld verlieren (und noch nicht völlig Pleite sind), zocken sie mit umso höherem Einsatz weiter und hoffen, doch noch zu gewinnen. „When in trouble double“, solche Sprüche kennt man von Spekulanten – wenn du hintenliegst, hau noch mal eine ordentliche Schüppe drauf.

Dann wird der Zins halt abgeschafft

Die Zins- und Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) hat bislang nach diesem Prinzip funktioniert. Zinssenkungen reichen nicht, um die Konjunktur im Süden Europas anzukurbeln? Dann schaffen wir den Zins halt ab, haben sich EZB-Chef Mario Draghi und seine Ratskollegen gedacht. Erst hat die europäische Notenbank den Leitzins auf null gedrückt, dann hat sie Strafzinsen eingeführt für Banken, die Geld bei ihr parken wollen. Flankiert wird das Zinsdumping seit März vergangenen Jahres von einem riesigen Kaufprogramm, das mit Staatsanleihen begonnen hat und dann auf Unternehmenspapiere ausgedehnt worden ist.
So richtig funktioniert hat das nicht, obwohl inzwischen mehr als 1,2 Billionen Euro in das Programm geflossen sind und die EZB die Laufzeit bereits vorzeitig bis März 2017 verlängert hat. Die Finanzwelt hatte deshalb erwartet, dass die EZB am Donnerstag nachlegt und das Programm noch weiter ausdehnt. Das ist nun nicht geschehen. Zum Glück.

Verrückte Finanzwelt

Denn mit ihren finanziellen Taschenspielertricks stellt die EZB die Finanzwelt schon jetzt mächtig auf den Kopf. Wo gibt es denn so etwas, dass man Geld ausgeben muss dafür, dass man jemand anderem Geld leiht? Aber genau das ist der Fall. Finanzminister Wolfgang Schäuble verdient mit seinen Bundeswertpapieren Geld, weil Anleger in ihrer Not selbst Negativrenditen akzeptieren. Vermögende und Unternehmen zahlen bei Banken Strafzinsen, wenn sie ihr Kapital auf dem Sparkonto liegen lassen. Sparen wird bestraft.

Die EZB greift in das Leben der Bürger ein

Die EZB und ihr Chef greifen mit ihrer Geld- und Zinspolitik massiv in das Leben der Bürger ein. Weil Sparen arm macht, legen die Menschen ihr Geld in Immobilien an. Die Preise steigen, Mieten ziehen an. Wer wenig verdient, tut sich schwer, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Mit der Mietpreisbremse und neuen Regeln für Mietspiegel versucht die Regierung gegenzusteuern – bislang vergeblich. Auch bei der Altersvorsorge verkommt die Politik zum Reparaturbetrieb für Draghis Spekulationen. Lebensversicherungen werfen immer weniger Rendite ab, das gilt auch für Betriebsrenten. Dabei setzt die Bundesregierung gerade auf Firmenrenten, um die Menschen angesichts des sinkenden Rentenniveaus vor Altersarmut zu bewahren. Auch hier wird gerade an einer Reform gebastelt. Doch was nützt die beste staatliche Förderung, wenn die EZB die Renditen der Langfristvorsorge nach unten knüppelt?

Wer hat der EZB das erlaubt?

Gefragt werden die Bürger nicht. Die Notenbank agiert selbstständig, unabhängig. Das macht die EZB zu einer der mächtigsten Institutionen in Europa. Am Donnerstag hat sie auf eine erneute Machtdemonstration verzichtet. Vorerst. Falls nötig, wolle man aber später mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln handeln, kündigte Draghi vorsorglich an. Das macht Angst.

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