Kommentar

Frauen unterstützen statt strafen

Der Staat kann dazu beitragen, die Abtreibungsrate zu senken. Dies gelingt jedoch nicht mit dem Strafrecht, sondern indem man Frauen Perspektiven bietet. Polens Regierungspartei tut dies nicht.

Meret Baumann
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«Wir leben nicht in einem Land, wo Diktatur herrscht» skandiert diese Demonstrantin am Montag in Warschau. (Bild: Alik Keplicz / AP)

«Wir leben nicht in einem Land, wo Diktatur herrscht» skandiert diese Demonstrantin am Montag in Warschau. (Bild: Alik Keplicz / AP)

«Die PiS hat Angst bekommen vor den Frauen, die auf die Strasse gegangen sind», sagte die ehemalige Ministerpräsidentin Ewa Kopacz, nachdem die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) einem fast vollständigen Verbot der Abtreibung in Polen plötzlich die Unterstützung entzogen hatte. Und tatsächlich war im streng katholischen Land in kurzer Zeit eine kraftvolle Protestwelle gegen das Vorhaben entstanden, der sich Frauen jeden Alters und aller Schichten anschlossen – eine Bewegung, die die Regierung nicht ohne Schaden ignorieren konnte. Damit ist die Forderung erzkonservativer Kreise, in einer der politisch umstrittensten Fragen des Landes ihr Weltbild gesetzlich durchzusetzen, auf lange Sicht hin vom Tisch. Ihnen hatte sich mit der absoluten Mehrheit der sie vertretenden PiS und drei Jahre vor der nächsten Parlamentswahl eine wohl nicht wiederkehrende Chance geboten.

Diese Entwicklung ist zu begrüssen – auch wenn Polen nach wie vor über eine Abtreibungsgesetzgebung verfügt, die des Selbstbestimmungsrechts der Frauen spottet. Es ist ein Irrglaube, mit dem Strafrecht Schwangerschaftsabbrüche verhindern zu können. Kaum eine Frau nimmt einen solchen Eingriff leichtfertig vor, doch lässt sich auch kaum eine Frau von einer einmal getroffenen Entscheidung abbringen. Gesetzliche Hürden haben für die Betroffenen einen unwürdigen Abtreibungstourismus zur Folge oder einen Abbruch im Hinterzimmer von Engelmacherinnen mit inakzeptablen Risiken für Gesundheit und Psyche. Das Bild, das die offizielle Statistik zeichnet, ist denn auch falsch. Polen weist zwar jährlich weniger als 2000 legale Abtreibungen aus. Dem steht aber eine Dunkelziffer gegenüber, die laut Schätzungen bei über 100 000 Fällen liegt und damit im Bereich der Zahlen der liberalen Praxis zur Zeit des kommunistischen Regimes.

Selbstverständlich sollen Abtreibungen möglichst verhindert werden, und dazu kann der Staat durchaus beitragen. Mädchen und Frauen brauchen zum einen die Perspektive, Beruf und Familie unter einen Hut bringen zu können, zum andern moralfreie schulische Aufklärung sowie leichten Zugang zu modernen Verhütungsmethoden. Auf diese Weise ist es den meisten Industriestaaten gelungen, die Abtreibungsrate auf einen Tiefstand zu senken – trotz der politischen Liberalisierung in vielen Ländern. Die PiS hingegen verfolgt mit ihrer Politik das Gegenteil. Die Einführung eines hohen Kindergelds und der Plan zur Senkung des Frauenrentenalters zementieren ebenso ein traditionelles Frauenbild wie die vom Katholizismus geprägte Sexualmoral. Die Polinnen haben eindrücklich gezeigt, wie überholt das ist.