Verschleppte Lösung

Griechenland braucht einen Neustart, aber keine Wahltaktik.

Fast hätten wir die Krise vergessen, doch Griechenlands Problem ist nicht gelöst. Ganz im Gegenteil. Der IWF, der sich bisher am Hilfsprogramm für das verschuldete Land beteiligt hat, fordert für sein weiteres Engagement einen Schuldenschnitt. Doch Deutschland stemmt sich dagegen. Der Währungsfonds hält die Schulden des Landes für nicht tragfähig, Berlin argumentiert mit dem nach wie vor schleppenden Reformwillen der griechischen Regierung und will den Druck nicht reduzieren.

Beides ist an sich nachvollziehbar. Denn bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass es Griechenland nie aus eigener Kraft schaffen wird, seinen Schuldenberg abzubauen. Und es wird offensichtlich, dass dieses Land radikale Reformen benötigt, die beim Pensionssystem sowie bei der lahmen Verwaltung beginnen und bei einem attraktiven Investitionsklima enden. Es braucht einen großen Wurf statt der kleinen Schritte der vergangenen acht Jahre. Der große Wurf kann ein Neubeginn nach einem Staatsbankrott oder eben ein für alle Gläubiger ebenso schmerzhafter Schuldenerlass sein. Wenn die Unsicherheit bleibt, werden immer mehr relevante Unternehmen das Weite suchen.


Die Regierung in Athen versucht, sich mit Hinweis auf die IWF-Forderungen aus der Verantwortung zu schwindeln. Und Berlins Finanzminister, Wolfgang Schäuble, spielt auch nur auf Zeit: Er weiß, dass die Eurofinanzminister dem IWF längst zugesagt haben, ab 2018 die notwendigen Schuldenerleichterungen anzugehen. Dann sind die nächsten Bundestagswahlen geschlagen, und es ist wieder Zeit für unattraktive Entscheidungen.

wolfgang.boehm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2016)

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