Kommentar

Der Preis der Sicherheit

Deutschlands Sicherheitsbehörden haben in jüngster Zeit Attentate verhindert. Dafür sind entsprechende Befugnisse notwendig. Zwischen den Erwartungen der Bürger und ihren Ängsten klafft eine Lücke.

Markus Ackeret
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Ein Sprengstoffspezialist der Polizei, am vergangenen Samstag auf dem Bahnhof in Chemnitz. (Bild: Jens Meyer / Keystone)

Ein Sprengstoffspezialist der Polizei, am vergangenen Samstag auf dem Bahnhof in Chemnitz. (Bild: Jens Meyer / Keystone)

In Chemnitz ist gerade noch einmal alles gut gegangen. Zwei Männer, bis anhin unauffällige Flüchtlinge aus Syrien, hatten eine Wohnung als Sprengstofflabor genutzt. Beträchtliche Mengen einer hochexplosiven chemischen Mischung harrten der teuflischen Verwendung. Die Terrorverdächtigen konnten festgesetzt werden – auch dank Landsleuten der beiden. Welches Ziel sie im Auge gehabt haben könnten, ist nicht bekannt.

Aber im Unterschied zu den Gewalttaten von Würzburg und Ansbach im Sommer ist es den Sicherheitsbehörden, wie bereits im Februar, Juni und September, gelungen, den wohl islamistisch inspirierten Terrorplan rechtzeitig zu vereiteln. Das ist weder selbstverständlich, noch gibt es Grund, übermütig oder besonders selbstbewusst zu sein. Offenbar stammte der entscheidende Hinweis aus dem Ausland. Danach funktionierte die Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden von Bund und Bundesländern im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum in Berlin-Treptow. Für schnelle Fahndungserfolge ist das die Voraussetzung. Oft klagen, zumal nach nicht abgewendeten Anschlägen, Politiker über die mangelhafte Kooperation der Nachrichtendienste in Europa.

Gewiss gibt es Verbesserungspotenzial. Zu Recht erinnern die Dienste allerdings immer wieder daran, dass Austausch allein nichts bringt, wenn die Verwendung der gewonnenen Hinweise und Daten an den begrenzten Befugnissen der Sicherheitsbehörden und dem Unwillen der Bevölkerung, Einschränkungen in der offenen Gesellschaft zu ertragen, scheitert. Die Intensität, mit der in den vergangenen Jahren über die Möglichkeiten und die Verantwortung der Geheimdienste gestritten wurde, hat dann ihr Gutes, wenn sie die Ansprüche der Gesellschaft justiert und die Legitimierung der Sicherheitsbehörden festigt.

Das gilt für Deutschland und seine Dienste ganz besonders. Die Bedrohung des westlichen Lebensmodells durch Terroristen und Manipulatoren und das aufgekommene Unbehagen durch die Zuwanderung Hunderttausender von Flüchtlingen hat die Erwartung an die Hüter der inneren Sicherheit verstärkt. Die Selbstverständlichkeiten des freien Lebens will niemand infrage stellen. Aus Anspruchshaltung und Vorbehalten gegenüber diesen Institutionen erwächst ein Paradox. Die Sicherheit hat, das zeigt der Blick in andere Weltgegenden, ihren Preis. Wer die Speicherung etwa von Telefonverbindungsdaten, in begründeten Fällen auch das Überwachen von Inhalten im Internet und über Mobilfunk, verwerflich findet, darf nicht erwarten, dass die Nachrichtendienste das nächste Bombenattentat verhindern und die Sicherheit im öffentlichen Raum gewährleisten können. Die jüngsten Erfolge der deutschen Behörden sind dazu eine Mahnung.