Kommentar

Gratisgeld hat ausgedient

Die Inflation im Euro-Raum steigt. Die Europäische Zentralbank sollte dies nutzen, um eine geldpolitische Normalisierung einzuleiten, und zwar auch gegen den Widerstand der Mitgliedstaaten.

Thomas Fuster
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Die EZB hat noch im Dezember ihr milliardenschweres Anleihekaufprogramm ohne erkennbare Not weiter ausgedehnt (Bild: Imago)

Die EZB hat noch im Dezember ihr milliardenschweres Anleihekaufprogramm ohne erkennbare Not weiter ausgedehnt (Bild: Imago)

Noch ist es etwas anmassend, bereits den Stab zu brechen über dem neuen Jahr. Dennoch deutet einiges darauf hin, dass 2017 wirtschaftlich als jenes Jahr in Erinnerung bleiben wird, in dem sich die Inflation – nach einer längeren Phase der Abwesenheit – ins Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit zurückgemeldet hat. Nicht nur in den Vereinigten Staaten ist seit geraumer Zeit ein anhaltender Preisauftrieb feststellbar. Dasselbe gilt vor allem auch für den Euro-Raum: So zeigen die jüngsten Daten von Eurostat, dass die Konsumentenpreise im Dezember unerwartet stark angestiegen sind, und zwar von 0,6 auf 1,1 Prozent. Damit steht bei der Inflationsrate erstmals seit September 2013 wieder eine Eins vor dem Komma.

Für den Euro-Raum spiegelt dies eine grundsätzlich erfreuliche Entwicklung. Das Anziehen der Inflation ist zwar in gewichtigem Mass auf die höheren Energiepreise zurückzuführen, die noch vor einem Jahr am Boden lagen. Allein mit dem Sprung der Erdölnotierungen ist der Trend aber nicht erklärbar. Auch die Konjunktur zieht in weiten Teilen Europas wieder an, wie die im Dezember überraschend stark ausgefallenen Einkaufsmanager-Indizes nahelegen. Vielerorts verbessern sich zudem die Aussichten am Arbeitsmarkt, was mit wachsendem Lohndruck einhergeht. Flankiert wird all dies durch eine generelle Erholung vieler Rohstoffpreise. In Deutschland hat sich die Inflation per Ende 2016 im Vormonatsvergleich denn auch mehr als verdoppelt, auf ein Niveau von bereits 1,7 Prozent.

Mit einem raschen Ende des Trends ist nicht zu rechnen. Im Januar, so die Erwartung der meisten Ökonomen, werden die Preise im Euro-Raum weiter steigen. Angesichts dieser Entwicklung erscheint die extrem expansive Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) zusehends fragwürdiger. So hat die EZB noch im Dezember ihr milliardenschweres Anleihekaufprogramm ohne erkennbare Not weiter ausgedehnt, um die Inflation näher an das mittelfristige Ziel von knapp 2 Prozent zu bringen. Das Programm, das eigentlich im März hätte auslaufen sollen, wird bis mindestens Dezember 2017 verlängert. Die Finanzmärkte werden also noch stärker geflutet, und die Staaten werden bei ihrer Schuldenpolitik noch stärker subventioniert.

Allzu klug erscheint dies nicht angesichts der beobachtbaren Preisentwicklung. Ökonomen wie Clemens Fuest, Präsident des Münchner Ifo-Instituts, fordern von der EZB daher mit gutem Grund, den Inflationsanstieg zum Anlass zu nehmen, das Anleihekaufprogramm im März zu beenden. Dieser Appell stösst aber nicht nur bei der EZB, wo man von einer Straffung der monetären Zügel nichts wissen will, auf taube Ohren. Dieselbe Reaktion ist auch bei den meisten Euro-Mitgliedstaaten zu beobachten, da diese kein Interesse haben, auf ihren bedrohlich wachsenden Schuldenständen marktgerechte Zinsen zu zahlen. Leidtragende dieser unseligen Geldpolitik, die seit viel zu langer Zeit vor allem eine Politik der indirekten Staatsfinanzierung ist, sind nicht zuletzt die Sparer. Deren Guthaben werden nun nicht mehr nur durch rekordtiefe Nominalzinsen, sondern auch durch steigende Inflationsraten entwertet.

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