Kommentar

Die NPD ist ein Verbot nicht wert

Das Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts ist richtig. Die rechtsextreme Splitterpartei NPD hat nicht genug Gewicht, um den Einsatz des gravierenden rechtsstaatlichen Eingriffs eines Parteiverbots zu rechtfertigen.

Peter Rásonyi
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Der Gerichtspräsident Andreas Vosskuhle vor Verkündung des Urteils. (Bild: Reuters)

Der Gerichtspräsident Andreas Vosskuhle vor Verkündung des Urteils. (Bild: Reuters)

Die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts im Fall NPD ist ebenso einfach wie nachvollziehbar. Die rechtsextreme Partei vertritt zwar ein Konzept, das auf die Beseitigung der bestehenden demokratischen Rechtsordnung ausgerichtet ist. Insofern wäre sie im Interesse des demokratischen Rechtsstaats im Grunde auszumerzen. Doch ein so schwerwiegender Eingriff des Staates wie ein Parteiverbot ist nur zu rechtfertigen, wenn er verhältnismässig ist. Und diese Verhältnismässigkeit ist im Fall des vom Bundesrat geforderten NPD-Verbots nicht gegeben. Denn von der Splitterpartei geht derzeit nicht wirklich eine Gefahr aus, dass sie ihre verfassungsfeindlichen Ziele tatsächlich umsetzen kann.

Die Einschätzung durch die Verfassungsrichter ist richtig. Die NPD ist seit Jahren im Niedergang. Sie hat heute nicht einmal mehr 6000 Mitglieder. Mandate hat sie nur noch auf kommunaler Ebene, vor allem im Osten Deutschlands. Der einzige überregionale Abgeordnete ist ein einsamer Vertreter der NPD im Europaparlament. Bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern im vergangenen September ist die Partei mit einem Stimmenanteil von 3 Prozent aus dem letzten Landtag geflogen. Bei der letzten Bundestagswahl 2013 kam sie auf völlig aussichtslose 1,3 Prozent der Stimmen. Von dieser Partei hat Deutschland derzeit nichts zu befürchten.

Die Richter lassen in ihrem Urteil keinen Zweifel, dass die NPD eine erbärmliche Versammlung ist. Ihr Volksbegriff verletze die Menschenwürde, ihr Politikkonzept sei auf die Ausgrenzung und Blossstellung gesellschaftlicher Gruppen ausgerichtet. Die Partei missachte die freiheitliche gesellschaftliche Grundordnung, weise in Konzept, Symbolik und offenen Bekenntnissen zu Führerpersönlichkeiten der NSDAP eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus auf. Doch das Parteiverbot ist im deutschen Rechtsstaat kein Gesinnungs- und Weltanschauungsverbot; das blosse Bekennen zu verfassungsfeindlichen Zielen reicht dafür nicht aus.

Die abscheuliche Gesinnung einer Partei allein muss mit anderen Worten auf einer anderen als der verfassungsrechtlichen Bühne bekämpft werden. Diese Bühne ist die Politik. Und hier hat sich die NPD im Konkurrenzkampf mit neuen rivalisierenden politischen Gruppierungen in den letzten Jahren selbst obsolet gemacht. Es entbehrt nicht der Ironie, dass ausgerechnet der Aufstieg der von den grossen Volksparteien und den meisten Medien als rechtsextrem ausgegrenzten Alternative für Deutschland (AfD) ein wesentlicher Faktor für die weitgehende Neutralisierung der NPD gewesen ist.

Für die Politik in Deutschland ist das ein gutes Zeichen. Das Protestpotenzial am rechten Rand wird so entschärft und in verfassungsgemässe, demokratische Bahnen gelenkt. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sich die AfD erfolgreich dagegen wehrt, durch Unterwanderung aus rechtsextremen Kreisen selbst zur neuen NPD zu werden. Der Richtungsstreit in der Partei ist im Gange; derzeit deutet wenig auf ein solches Ergebnis hin.

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